Die Nachricht von der Aufhebung der Abtei Grüssau wurde am 20. November 1810 durch den königlichen Spezialkommissar, Justizdirektor H. Haekel aus Landeshut überbracht. Nach zeitgenössischen Berichten unterzog er sich seiner Aufgabe mit Gleichgültigkeit und ließ das nötige Taktgefühl vermissen. Abt Ildephons Reuschel (1800-1810) rief den Konvent zu einem Abschiedsmahl zusammen und unterrichtete die Brüder über die königliche Order. Verzweiflung und Perspektivlosigkeit griffen um sich. Gelder und Papiere wurden versiegelt, die Amtsträger auf den neuen Herrn vereidigt, der Prälat als Privatmann erklärt, die Mönche vom Gehorsam ihrem Oberen gegenüber entbunden. Die jüngeren Geistlichen erhielten Order, den Habit abzulegen und sich der Bistumsbehörde als Weltgeistliche zur Verfügung zu stellen. Die Stiftsbauhütte wurde geschlossen, die Künstler verließen Grüssau, das Dorf verarmte. Das bei der Aufhebung in hoher religiöser Blüte stehende Kloster wurde bedeutungslos.
Der Konvent zählte noch 47 Zisterzienser. Die meisten verließen Grüssau innerhalb kurzer Zeit. Auf den Stiftspfarreien verblieben die Mönche als Weltgeistliche und erhielten zusätzlich Hilfe durch ihre aus dem Kloster ausgewiesenen Mitbrüder. Die Klosterkirche wurde 1818 zur Pfarrkirche umgewidmet, die Klosteranlage in Staatseigentum überführt. Abt Ildephons Reuschel (+1823) erhielt Wohnrecht auf Lebenszeit im Konventsgebäude. Mit ihm blieben noch der ehemalige Prior Eutychius Leistritz (1762-1835) im Kloster, die beiden für die Pfarrseelsorge bestellten Patres sowie etliche Professoren des aufgelösten Stiftsgymnasiums. Prälat Ildephons konnte am 13. Juni 1820 in Grüssau sein goldenes Priesterjubiläum feiern. Das Fest wurde zu einem Zeugnis der Wertschätzung durch die Bevölkerung des ehemaligen Stiftslandes.
Von den etwa 13.000 Bänden der Stiftsbibliothek ließ Spezialkommissar Büsching die wertvollsten Stücke auswählen und in 22 Kisten verpackt nach Breslau bringen. Andere Werke gelangten in die Gymnasien von Gleiwitz, Glogau, Hirschberg, Neisse und Schweidnitz, die Archivalien ins Provinzialarchiv nach Breslau. Teile des Archivs mit Büchern versteckten die Zisterzienser vor dem Zugriff des Aufhebungskommissars. Sie wurden 1919 von den Benediktinern als wichtiges monastisches Erbe übernommen und blieben bis zur widerrechtlichen Entfernung 1953 durch die kommunistischen Behörden in Grüssau. Teile des kostbaren Paramentenschatzes fanden Verwendung in der neu zu errichtenden Pfarrei und befinden sich ebenfalls seit 1953 in der Domsakristei zu Breslau.

„Länger als fünf Jahrhunderte regierten im Kloster Grüssau unter so mannigfachen, theils günstigen und ungünstigen Schicksalen die Brüder des hl. Bernards (…). Allgemein war die Trauer auch der hiesigen Umgegend. Denn wohltuend ist es für den Unterthanen, wenn die Obrigkeit in seiner Mitte lebt, die Sorgen desselben in so mannigfacher Gestalt selbst mit eigenen Augen sehen kann, und dem Unglücklichen die Hülfe suchende Schwelle nicht fern und unverschlossen ist.“
(Bericht über die Aufhebung der Abtei Grüssau aus dem Schömberger Stadtbuch, 1811, S. 318-321).

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Portrait des letzten Zisterzienserabtes Ildephons Reuschel OCist (1742-1823), Ölgemälde, Kloster Grüssau. Foto: Barbara Skoczylas-Stadnik

Epitaph des letzten Zisterzienserpfarrers von Schömberg, P. Petrus Siegert OCist (1768-1828). Foto: Roland Grisar

Detail von der Kanzel der Josephskirche. Foto: Roland Grisar

Sakristei der Marienkirche. Foto: Inge Steinsträßer

Klosterbibliothek. Foto: Inge Steinsträßer

Ansicht des Klosters nach 1810 Grafik

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