STILLES LEBEN?
Stillleben von Wolf Röhricht
22. März 2020 bis 5. Oktober 2020
Als Stillleben bezeichnet der Brockhaus „die Darstellung unbewegter oder lebloser Gegenstände.“ Reglos und tot erscheinen die Stillleben des Malers Wolf Röhricht aber überhaupt nicht, seine Bilder strotzen vor Farbigkeit und Leben und ihm gelingt das Kunststück, in seine Ölmalerei die Leichtigkeit des Aquarells einfließen zu lassen. Karl Scheffler bemerkte hierzu 1931, Röhricht „aquarelliere gewissermaßen auch mit Ölfarben“. Sein starkes Farbtalent erschafft dabei zielsichere Farbkompositionen, denen sich alles Thematische unterordnet. Nie wirken seine Gemälde bunt, stets beherrscht die reiche Palette vorsichtig abgewogen den Gesamteindruck. Von verlockenden Farbkontrasten bis zur Nebeneinanderkomposition ruhiger Farbflächen kostet er alle Möglichkeiten aus. Daneben reduziert Röhricht die Körperlichkeit zugunsten der Farbe, gibt sich aber nie ganz der Abstraktion hin. Dabei immer im Vordergrund: die tiefe Hinneigung zur Natur.
Ein Leben zwischen dem Recht und der Kunst
Wolf Röhricht beginnt 1905 auf Wunsch seiner Mutter ein Jurastudium in München. Parallel besucht er bei Heinrich Knirr die Malschule. 1911 setzt er sein Jurastudium in Berlin fort. Hier freundet er sich mit dem Maler Waldemar Rösler an. Nach dem juristischen Examen 1913 fasst er den Entschluss, sich ganz der Malerei zu widmen. Er reist nach Paris, um seine Studien fortzusetzen und nimmt Unterricht bei Pierre Bonnard und Edouard Vuillard. Zurück in Berlin schließt er sich der Freien Sezession an und stellt 1914 zum ersten Mal drei seiner Werke aus.
Aus gesundheitlichen Gründen wird Röhricht im Ersten Weltkrieg nicht eingezogen. Ein fast zweijähriger Zivildienst 1917/18 führt ihn ins Oberschlesische Lublinitz, die ersten Industriebilder entstehen. Die Nationalgalerie in Berlin tätigt 1919 erste Ankäufe seiner Bilder. Im gleichen Jahr wird Röhricht in die Jury der Freien Sezession gewählt. In den 20er und 30er Jahren kann er häufig ausstellen und verkaufen. Seit 1926 unterrichtet er an der Schule des Vereins Berliner Künstlerinnen, ab 1930 gibt er im Auftrag des Kulturministeriums Mal- und Zeichenunterricht.
Nach 1935 werden fünf seiner Werke als „entartet“ aus dem Museum Erfurt, den Städtischen Sammlungen Nürnberg und der Berliner Nationalgalerie entfernt und beschlagnahmt, darunter auch das Stillleben „Geige und Laute“ aus dem Jahr 1930, dessen Verbleib bis heute unbekannt ist. Gleichzeitig ist der Maler aber auf der ersten Großen Deutschen Kunstausstellungen (GDK) 1937 vertreten, ebenso 1940 und 1943. Das Jahr 1940/41 verbringt er als Studiengast der Villa Massimo in Rom.
Röhrichts Werk wurde durch die Kriegsereignisse stark dezimiert. Ein großer Teil seiner Bilder war im Stadtschloss von Kuchelberg bei Liegnitz eingelagert und wurde entweder zerstört oder mit unbekanntem Ziel abtransportiert. Röhricht resigniert jedoch nicht. Man gewinnt den Eindruck, als habe ihm diese niederdrückende Situation neuen Ansporn verliehen. Die überaus große Anzahl der Bilder, die Röhricht nach dem Krieg noch malte, zeigt ihn in ungebrochener Energie, als ahnte er, nicht mehr allzu viel Zeit zu haben.
1945 verlässt Röhricht das zerstörte Berlin und geht nach Garmisch-Partenkirchen, später nach München. Hier setzt er sein künstlerisches Werk fort. Als einziger deutscher Maler nimmt er 1950 an der Internationalen Kunstausstellung des Carnegie-Instituts in Pittsburgh/USA teil, wo man ihn zu den fünfzehn besten Malern Deutschlands zählt. Seit 1948 ist er im Vorstand der Ausstellungsleitung im Haus der Kunst und bleibt es bis zu seinem Tode am 29. September 1953. Wolf Röhricht zählt zu den Malern der „verlorenen Generation“, deren Malerei als Expressiver Realismus bezeichnet wird. Er hat ein vielseitiges Werk hinterlassen, das dem Betrachter immer wieder neue Einblicke in die Welt des Malers bietet.
Eine Malerei zwischen den „Ismen“
Den Stil Wolf Röhrichts zu benennen ist nicht einfach. Mario-Andreas von Lüttich fasst es 1986 so zusammen: „Als selbstbezeichneter Realist malte er zwischen den „Ismen“ – er malte impressionistisch lichtdurchflutete Landschaften und Industrieanlagen, expressionistisch farbenfrohe Blumenstilleben und Porträts im Stil der Neuen Sachlichkeit.“ Röhricht geht dabei zielstrebig seinen eigenen Weg, auch auf die Gefahr hin „unzeitgemäß“ zu malen: „Nur dann wird das Werk ehrlich sein, wenn es vielleicht auch dem Zeitgeschmack zuwiderläuft.“ (Wolf Röhricht, 1921)
Ausstellung im HAUS SCHLESIEN
Das Dokumentations- und Informationszentrum für schlesische Landeskunde im HAUS SCHLESIEN hat einen großen Teil des Nachlasses von Wolf Röhricht in seiner Sammlung. Die Ausstellung „Stilles Leben?“ im HAUS SCHLESIEN widmet sich der klassischen Bildgattung des Stilllebens und zeigt fünfzehn Werke des Malers, dessen Stillleben den Betrachter durch eine farbige Energie und Lebendigkeit bestechen.
Bernadett Fischer