Versammelte Erinnerungen – Die Bunzlauer Heimatsammlung
bis 6. November 2022 im HAUS SCHLESIEN
Stücke aus der Bunzlauer Heimatsammlung
Fotos: HAUS SCHLESIEN
Bunzlauer Kannen, Krüge und Service in Spritztechnik dekoriert – manchmal mit Blumendekor, meistens mit geometrischen Motiven – das weckt bei vielen Bunzlauern und nicht nur bei ihnen Erinnerungen an „Daheim“. Vermutlich sind diese Keramiken mit Spritzdekor deshalb neben dem bis heute noch produzierten Pfauenaugendekor in der Bunzlauer Sammlung in Siegburg so zahlreich vertreten.
Doch wurde von der Bundesheimatgruppe der Bunzlauer in den seit 1985 von der Stadt Siegburg zur Verfügung gestellten Räumen natürlich nicht nur Keramik mit Spritz- oder Pfauenaugendekor gesammelt und präsentiert. Das Ziel war vielmehr das reichhaltige Kulturerbe der Region und die Erinnerung an das Leben in Stadt und Kreis Bunzlau zu bewahren – und das war mehr als nur Keramik. Über die Jahrzehnte sind so neben den vielen Keramiken, Porzellane aus Tiefenfurt, Gemälde und Graphiken mit Motiven der Region, Postkarten und zahlreiche Alltagsgegenstände und Erinnerungsstücke zusammengetragen worden. Viele dieser Exponate erzählen Geschichten von Flucht und Vertreibung oder vom Heimatverlust, aber auch vom Alltags- und Familienleben und der Geschichte der Stadt und ihrer Umgebung. Darüber hinaus dienten die Räume im Haus der Begegnung in Siegburg auch als Versammlungsort und Begegnungsstätte. Daran erinnern zahlreiche Fotografien, Einladungszettel, Plakate und Gästebucheintragungen.
Mit großem Engagement haben sich die einstigen Bewohner Bunzlaus über Jahrzehnte um diese Heimatstube gekümmert, mehrere Umzüge innerhalb der Stadt bewältigt und eine Vielzahl an Veranstaltungen durchgeführt. Immer wieder haben sie interessierten Besuchern die Geschichte Schlesiens im Allgemeinen und Bunzlaus im Besonderen nahegebracht oder sie bei der Suche nach familiären Wurzeln unterstützt und zahlreiche Gäste aus Deutschland und Polen empfangen. Doch das frühere Schulgebäude, in dem die Heimatstube zuletzt untergebracht war, soll nun anders genutzt werden und langfristig einer Wohnanlage weichen. Einen erneuten Umzug konnte und wollte die Bundesheimatgruppe der Bunzlauer nicht mehr mitmachen und bemühte sich rechtzeitig darum, eine neue Bleibe für die Schätze, die die Heimatstube beherbergt, zu finden. Nach eingehenden Beratungen – auch mit Vertretern der Stadt und des Kreises Siegburg – entschlossen sich die Verantwortlichen, die Sammlung an HAUS SCHLESIEN abzugeben, verbunden mit dem Wunsch, dass von hier möglichst viele Exponate auch an andere Museen entliehen werden. Eine Lösung, die von allen Beteiligten als die Beste angesehen wurde.
Seit Frühjahr 2021 sind nun die Bestände – knapp einhundert Transportkisten und Umzugskartons mit Keramik, Porzellan, Graphiken, Dokumenten, Ordnern und Büchern – im HAUS SCHLESIEN. Ausgenommen sind rund einhundert Exponate – neben Keramiken vor allem auch Gemälde bzw. Graphiken – die schon im Sommer 2019 als Dauerleihgabe in das Keramikmuseum nach Bunzlau (Muzeum Ceramiki w Bolesławcu) gebracht worden sind.
Ab Februar wird in einer Sonderausstellung im HAUS SCHLESIEN eine Auswahl der Objekte und Dokumente präsentiert werden, um den Besuchern einen Eindruck zu vermitteln, welche Schätze die Sammlung des Hauses nun bereichern. Die Ausstellung zeigt einen Querschnitt durch die Bestände der Heimatsammlung und gewährt damit auch einen Einblick in die Jahrzehnte lange Arbeit der Bundesheimatgruppe der Bunzlauer. Neben der weltweit bekannten Keramik, Städteansichten und Landkarten sind das auch persönliche Erinnerungsstücke, denn in der Heimatstube wurden vor allem Erinnerungen gesammelt und bewahrt – Erinnerungen von denen diese Objekte „erzählen“. Einige dieser „Geschichten“ greift die Ausstellung auf und hebt damit die doppelte Bedeutung vieler Exponate hervor, die neben ihrem eigentlichen Verwendungszweck bzw. dem dekorativen Charakter für ihre einstigen Besitzer bzw. späteren Sammler einen ideellen Wert haben. Ein Wert, der zumeist im Kontext mit weiteren Andenken bzw. den Erinnerungen selbst noch steigt.
Am Beispiel dieser vielfältigen Sammlung wird darüber hinaus die Bedeutung der Heimatstuben für die Erinnerungskultur der Vertriebenen insgesamt erläutert und veranschaulicht, wie sich der Umgang mit dem Heimatverlust über die Jahrzehnte gewandelt hat. Nicht zuletzt haben die Aktivitäten vieler Heimatgruppen wesentlich dazu beigetragen, die einstigen Patenschaften über die Vertriebenen in lebendige Partnerschaften mit den heutigen Einwohnern umzuwandeln.