SEMINARBETRIEB
Das Kultur- und Bildungszentrum HAUS SCHLESIEN hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit einer breiten Öffentlichkeit in Dialog zu treten und sie mit Themen aus Geschichte, Kultur und Verständigungspolitik, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Schlesien stehen, vertraut zu machen.
STUDENTENSEMINARE
Unter dem Titel „Schlesische Begegnungen“ finden jedes Jahr ca. 10 Seminare in Zusammenarbeit mit polnischen Hochschulen im HAUS SCHLESIEN statt. Hierzu kommen mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat polnische Germanistik- und Geschichtsstudenten zu jeweils einwöchigen Seminaren nach Königswinter. Zu dem umfassenden Programm gehören u.a. Zeitzeugengespräche, Exkursionen und die intensive Bearbeitung von Themen im Spektrum Deutschland – Polen. Die Seminare werden von den Universitäten offiziell für den Studiengang anerkannt.
_
Academia Silesia 2023
TRILATERALES SEMINAR IM HAUS SCHLESIEN
Vom 19. bis 25. November fand bereits die dritte Academia Silesia statt. Zugleich war dieses Seminar eine Premiere im HAUS SCHLESIEN: Doktoranden und Studierende aus Deutschland, Polen und Tschechien nahmen an dem einwöchigen verständigungspolitischen Seminar teil, das hier also erstmals junge Leute aus gleich drei Ländern zusammenbrachte.
Der erste Tag des Besuchs begann mit einem Einblick in Forschung und Lehre zu Schlesien an den drei beteiligten Universitäten: Prof. Marek Hałub (Wrocław), Dr. Christoph Studt (Bonn) und Dr. Gabriela Rykalová (Opava) präsentierten die Schlesienforschung an ihren Instituten. In Dr. Hana Komárkovás (Opava) Vortrag ging es dann um einen besonderen Gedächtnisort: Bei der Renovierung eines Cafés in Würbenthal (Vrbno pod Pradědem) wurden rund 170 versteckte Bücher und Zeitschriften sowie persönliche Dokumente aus der deutschen Zeit der Stadt vor 1945 gefunden und werden seit 2021 erforscht. Nicola Remig, Leiterin des Dokumentations- und Informationszentrums im HAUS SCHLESIEN, stellte die verschiedenen Arbeitsbereiche und Bildungsangebote der Einrichtung vor. Anschließend hatten die Seminarteilnehmer die Gelegenheit, das Museum mit seiner neuen Dauerausstellung und die Bibliothek zu besichtigen.
Am zweiten Tag der Reise besuchten die Studierenden zunächst das Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens in der Stadt Eupen. Während der Führung und im Sitzungssaal des Regionalparlaments lernten sie Ostbelgien mit seiner wechselvollen Geschichte und Kultur kennen. Beeindruckend waren für die Gäste aus Polen und Tschechien vor allem die Möglichkeiten und Erfolge der Selbstverwaltung der deutschen Belgier in der Grenzregion. Die Gruppe interessierte sich besonders für die Mehrsprachigkeit der Einwohner und die einzigartige Autonomie der Region.
Als nächstes stand Aachen auf dem Programm, wo die Studierenden von der katholischen deutschen Studentenverbindung KDStV Marchia (Breslau) herzlich empfangen wurden. Die Verbindung war 1910 ursprünglich an der Technischen Universität Breslau gegründet und nach dem Zweiten Weltkrieg in Aachen reaktiviert worden. Ab 1934 strebten die Nationalsozialisten zunächst die Gleichschaltung der Studentenverbindungen an, viele Verbindungen kamen dem jedoch durch eine vorherige Selbstauflösung zuvor. 1938 wurden sie dann von den Nationalsozialisten ganz verboten. Nach der Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten und der Teilung Deutschlands formierten sich viele ost- und mitteldeutsche Verbindungen im Westen neu. In den letzten Jahren haben Studenten der KDStV Marchia regelmäßig Breslau besucht, darunter auch das Institut für Germanische Philologie an der Universität. Auf dem Verbindungshaus fand auch ein Vortrag von Adam Wojtala (HAUS SCHLESIEN) statt, der sein Dissertationsprojekt über die Erinnerungskultur der Breslauer katholischen Studentenverbindungen vorstellte.
Gleich am Morgen des dritten Tages fuhren die Studierenden nach Bonn, um das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zu besuchen. Danach ging es in die Innenstadt von Bonn, das viele Jahre die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland war. Anschließend machte sich die Gruppe auf den Weg zum Petersberg. Das Hotel oben auf dem Berg war seit den Nachkriegsjahrzehnten bis in die Gegenwart immer wieder Schauplatz diplomatischer Treffen, politischer Verhandlungen und wichtiger internationaler Konferenzen, worüber das noch recht neue Dokumentationszentrum im früheren Wachhaus erzählt. Der Ort ist nicht nur aus historischen Gründen bemerkenswert – er bietet auch ein wunderschönes Panorama über das Rheintal.
Der vierte Tag des trilateralen Seminars stand im Zeichen der jüdischen Kultur, deren Spuren fest in der schlesischen Geschichte verwurzelt sind. Er begann mit der Vorführung des Films „Wir sind Juden aus Breslau“, in dem Zeitzeugen an vergangene Zeiten und die Schreckensherrschaft der Nazis erinnern. Nach dem Film ging es zu einer Führung durch die Kölner Synagoge. Die Gruppe bekam einen Einblick in die jüdische Kultur und Tradition, aber auch in das heutige jüdische Leben. Sie erfuhr zum Beispiel, dass es eine App gibt, die Männer an die Gebetszeiten erinnert. In Köln durfte auch ein Besuch des Wahrzeichens der Stadt, dem Kölner Dom, nicht fehlen. Dort befindet sich das Grab von Richeza von Lothringen, Ehefrau von Mieszko II. und erste gekrönte Königin von Polen.
Am Abend fand im HAUS SCHLESIEN ein Gastvortrag des SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Hartmann statt, der den Teilnehmern Ferdinand Lassalle vorstellte, den Gründer des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV), einer Vorläuferorganisation der heutigen SPD. Lassalle stammte aus einer jüdischen Familie aus Breslau. Heute erinnert seine Grabstätte auf dem Alten Jüdischen Friedhof in Breslau an ihn.
Am letzten Tag wanderten die Studenten trotz des regnerischen Wetters zu den Ruinen des Zisterzienserklosters Heisterbach. Dort konnten sie das größte Zisterzienserarchiv der Welt besichtigen. Zisterzienserklöster gibt es auch in Niederschlesien (Leubus, Heinrichau, Kamenz, Grüssau und Trebnitz) und in Böhmen (Ossegg und Plaß). Zum Abschluss der Woche setzten sich die Teilnehmer in einem Workshop sehr lebhaft mit dem Thema Stereotype über Polen, Deutsche und Tschechen auseinander.
Das Abschiednehmen war ausgesprochen herzlich und voller Pläne für ein nächstes Seminar. Um neue Bekanntschaften und Kenntnisse über ihre Heimat reicher, kehrten die Studenten nach Hause zurück.
Das Seminar wurde finanziert durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat, die Deutsch-Polnische Gesellschaft der Universität Breslau und die Sanddorf-Stiftung.
Florian Paprotny
Studentenseminare 2021
Universität Breslau – Historisches Institut: Bericht zum Seminar vom 21.11. bis 27.11.2021
Nach einer pandemiebedingten Pause von fast zwei Jahren fand in der Woche vom 21. bis zum 27. November 2021 wieder ein langersehntes Seminar aus der Reihe „Schlesische Begegnungen“ im HAUS SCHLESIEN statt. Zu Gast war eine gemischte Gruppe der Universität Breslau/Wrocław und anderer befreundeter Institutionen, unter Leitung des Historikers Prof. Tomasz Przerwa.
Der erste Tag diente dem Kennenlernen des HAUS SCHLESIEN: nach einem Einführungsvortrag der Leiterin des Dokumentations- und Informationszentrums, Nicola Remig, besichtigte die Gruppe die Räumlichkeiten sowie das Gelände des Anwesens und erhielt Einblicke in die Geschichte des Vereins und sein grenzübergreifendes Tätigkeitsspektrum. Von der hauseigenen Bibliothek wurde fortan täglich Gebrauch gemacht, bis in die späten Abendstunden hinein. Die Bestände des Archivs wurden ebenfalls genutzt – vor allem die dort zahlreich vorhandenen Erlebnisberichte der deutschen Vertriebenen.
Ab dem zweiten Tag begannen die Exkursionen, deren Ziel es war, der polnischen Gruppe das Nachbarland Deutschland und seine Geschichte(n) näher zu bringen. Ein wesentlicher Teil der verständigungspolitischen Arbeit ist das gegenseitige Kennenlernen sowie Einblicke in diverse kulturelle und politische Entwicklungen. Während eines spontanen Ausflugs zum Drachenfels wurde den Teilnehmern die Nibelungensage erzählt und auf deren propagandistischen Missbrauch während der beiden Weltkriege eingegangen (die von Kaiser Wilhelm II. beschworene „Nibelungentreue“ Deutschlands zu Österreich und später Hermann Görings Rede über den Kampf in Stalingrad, in der er eine Analogie zum Endkampf in der brennenden Halle am Ende der Nibelungensage zog). Es wurde deutlich gemacht, wie ein kulturelles Werk nationalistisch aufgeladen und zur Manipulation der Menschen genutzt werden kann. Anschließend ging es nach Bonn, wo im Rahmen einer Führung durch Frau Dr. Inge Steinsträßer über den Alten Friedhof die Vielzahl an prominenten Personen, die dort begraben liegen, vorgestellt und in Bezug zur deutschen und europäischen Geschichte gesetzt wurde, so z.B. Robert Schumann, Ernst Moritz Arndt oder die Mutter von Ludwig van Beethoven. Ferner wurde thematisiert, dass sich auf dem Friedhof sowohl ein Denkmal für die französischen als auch eines für die deutschen Gefallenen befindet. Sogar ein irisches Grab befindet sich dort, erkennbar an dem charakteristischen Keltenkreuz. Der Friedhof steht somit für ein Zusammentreffen von verschiedenen Kulturen: Schon 1870/71 wurde nach dem deutsch-französischen Krieg ein Gefallenendenkmal mit der Inschrift errichtet, dass es nie wieder Krieg geben möge – ein Wunsch, der sich leider nicht erfüllte.
Zum Pflichtprogramm gehört immer der Besuch des Kölner Doms, der am dritten Tag absolviert wurde. Vielen ist nicht bewusst, dass im Dom die erste polnische Königin begraben liegt, Richeza von Lothringen. Sie war eine Nichte Kaiser Ottos III. und verheiratet mit dem polnischen König Mieszko II. (dieser war bereits der zweite König von Polen, sein Vater und Vorgänger Bolesław der Tapfere war bei der Krönung bereits verwitwet und verstarb kurz darauf). Anhand dieses Beispiels lässt sich die enge Verbindung von Deutschen und Polen im mittelalterlichen Europa darstellen und zwar schon ab der Geburtsstunde des Königreichs Polen. Im 20. Jahrhundert konzentrierte sich die Geschichtsschreibung beider Länder vor allem auf die Gegensätze: Die Geschichte von multiethnischen Gebieten wie Schlesien wurde oft ignoriert und stattdessen versucht zu beweisen, dass das Land der jeweils eigenen Seite gehöre – die deutsch-polnische Geschichte wirkte aus dieser Perspektive wie ein jahrhundertelang andauernder Kampf um das Grenzland. Ein Paradigmenwechsel setzte erst ab den 1990ern ein, weshalb dieser Gegensatz teilweise bis heute nachwirkt – daher ist es von enormer Bedeutung, an verbindende Persönlichkeiten zu erinnern. Auch das Schloss Augustusburg in Brühl wurde an diesem Tag besucht, die Residenz des Clemens August von Bayern. Dessen Mutter war die Tochter des polnischen Königs Johann Sobieski III. – ein weiteres Beispiel der Verwobenheit der deutsch-polnischen Geschichte.
Am vierten Tag wurde die Martin-Opitz-Bibliothek in Herne besucht. Der thematische Sammelschwerpunkt der Institution umfasst die deutsche Geschichte und Kultur im Osten Europas. Nach einem ausführlichen Vortrag zum grenzübergreifenden Tätigkeitsspektrum der Institution unter dem Zeichen der Völkerverständigung bestand auch hier die Möglichkeit zur Recherche, die voll ausgeschöpft wurde. Die Teilnehmer hatten schon im Vorfeld hunderte Bücher und Quellen zur Einsicht bestellt.
Am fünften Tag wurde die Woche noch einmal rekapituliert. Die Teilnehmer äußerten sich ausnahmslos positiv und waren dankbar für die umfangreichen Einblicke, Diskussionen, Recherchemöglichkeiten und das mannigfaltige Programm. Sie hätten in der Woche viel Neues über ihr Nachbarland gelernt und auch die eine oder andere Überraschung erlebt. Es wurde deutlich, wie wichtig ein Austausch zwischen Deutschen und Polen ist, da die politische Situation sich in den letzten Jahren deutlich verkompliziert hat.
Die interkulturelle Ausrichtung und das abgestimmte Programm machen die „Schlesischen Begegnungen“ zu einem einmaligen Ereignis – der Abschied löst selbst nach der kurzen Zeit immer ein wenig Wehmut aus. Einer der Teilnehmer verabschiedete sich vom Betreuer der Gruppe mit den Worten: „Sie waren die Seele dieser Fahrt“ – ein Kompliment und Dank für unsere Arbeit, wie es schöner nicht möglich ist.
Florian Paprotny
Studienwoche "Sinnliche Zugänge" 2020
Trinationale Begegnungen
Ein Bericht über die Studienwoche „Sinnliche Zugänge zu symbolischen Orten Vertriebener in Deutschland“ zur ethnografischen Erforschung der Bildungsstätten HAUS SCHLESIEN und Heiligenhof (04. – 11.01.2020) aus der Sicht der polnischen Teilnehmerin Ewa Biolik
Direkt zu Beginn des Jahres 2020, vom 4. bis 11. Januar 2020, fand im Heiligenhof (Bad Kissingen) und im HAUS SCHLESIEN (Königswinter) eine Studienwoche zum Thema „Sinnliche Zugänge zu symbolischen Orten Vertriebener in Deutschland“ statt. Sie wurde von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz organisiert und durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) im Rahmen ihres Förderprogramms „Vielstimmige Erinnerung – gemeinsames Erbe – europäische Zukunft: Kultur und Geschichte der Deutschen und ihrer Nachbarn im östlichen Europa“ und den Schroubek Fonds Östliches Europa finanziell unterstützt. An der Woche nahmen 19 Studierende der Kulturanthropologie der Universität Mainz, fünf Studierende verschiedener Fachrichtungen aus Tschechien und fünf Germanistikstudierende aus Polen teil. Alles wurde hervorragend von Frau Jun.-Prof. Dr. Sarah Scholl-Schneider und Frau Dr. Johanne Lefeldt von der Mainzer Universität organisiert und geleitet.
Das Ziel dieser Woche war es, den Studierenden die Geschichte und Kultur der Vertriebenen aus den ehemals deutschen oder deutschsprachigen Gebieten, die heute den östlichen Nachbarn Deutschlands angehören, näherzubringen und auf die Bedeutung der zwei Häuser als Bildungs- und Begegnungsstätten in der Vergangenheit, Gegenwart und für die Zukunft aufmerksam zu machen. Vor allem, weil eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dieser Art von den Vertriebenen selbst geschaffenen Orten bislang weitestgehend aussteht, war ein sehr offenes ethnografisches Vorgehen vorgesehen. Bei diesem sollten die Studierenden Erfahrungen mit Methoden der Feldforschung sammeln und gleichzeitig eine Vielzahl von Quellen erheben, aufbereiten und in ersten Schritten analysieren. Die Studienwoche bestand aus zwei Teilen. Der erste Teil begann am Samstag, 4. Januar 2020 im Heiligenhof, an einem Ort, der an die ehemals deutschsprachigen Gebiete in der Tschechischen Republik erinnern soll und den sogenannten Sudetendeutschen nahe am Herzen liegt, und dauerte bis zum Mittwoch, 8. Januar 2020. Der Heiligenhof wurde 1952 als „Sudetendeutsche Heimstätte europäischer Jugend“ errichtet, diente als Ausbildungsort für Jugendleiter und politische Bildungsstätte. Heute ist das ehemalige Landhaus im Ortsteil Garitz von Bad Kissingen nicht nur Begegnungsstätte Sudetendeutscher und zwischen Deutschen und ihren östlichen Nachbarn, sondern lädt als Jugendherberge auch Besucher ohne Bezug zu der Geschichte des Hauses ein. Vom Heiligenhof ging es per Bustransfer zum zweiten Teil der Studienwoche, der vom Mittwoch, 08. Januar bis zum Samstag, 11. Januar 2020 im HAUS SCHLESIEN stattfand. Dieses Haus wurde durch den Erwerb eines ehemaligen Fronhofs in Heisterbacherrott durch den Verein HAUS SCHLESIEN e.V. 1978 mit dem Ziel gegründet, eine Begegnungsstätte für die vertriebenen Schlesier und deren Vereinigungen einzurichten. HAUS SCHLESIEN wird durch einen integrierten Hotelbetrieb ebenso wie der Heiligenhof aber auch von Touristen ohne Bezug zu Schlesien aufgesucht.
Ich entschied mich für die Teilnahme an der Studienwoche, weil ich unbedingt das HAUS SCHLESIEN kennenlernen wollte und ich war neugierig, wie die Erinnerungskultur an Schlesien in Deutschland gepflegt wird. Ich war auch interessiert, womit sich die Kulturanthropologie befasst und wie ethnografische Forschungsmethoden aussehen. Außerdem wusste ich, dass eine Reise, an der auch deutsche und tschechische Studierende teilnehmen, eine gute Gelegenheit wird, Meinungen und Erfahrungen auszutauschen und die Fremdsprachenkenntnisse zu trainieren.
Während der Woche beschäftigten wir uns zunächst mit den historischen Hintergründen der Häuser und lernten verschiedene methodische Zugänge ethnografischen Forschens kennen. Am Anfang konnten wir in die Thematik der Heimatvertriebenen, Flüchtlinge und ihres Heimwehs eintauchen, indem wir Vorträge von Dr. Tobias Weger und Dr. Elisabeth Fendl hörten. Am zweiten Tag unseres Aufenthaltes in Bad Kissingen gab uns Gustav Binder, der Studienleiter im Heiligenhof, eine Führung durch das Gebäude und die Umgebung, womit wir forschungspraktisch gesprochen bereits ein erstes bewegtes Interview im Feld erlebten und dokumentierten.
Der nächste Schritt war das theoretische Kennenlernen und praktische Ausprobieren verschiedener weiterer Forschungsmethoden und wie man mit dem erhobenen Material umgehen soll. Von Ingrid Sauer, M.A., Sudetendeutsches Archiv im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München, erfuhren wir, welches Material vom Heiligenhof bereits archiviert und der Institution übergeben wurde. Wir forschten rund um den Heiligenhof und über die Leute, die mit dem Haus verbunden sind oder waren. Jede/r konnte sich damit befassen, was sie/ihn am meisten interessierte. Eine Gruppe von Forschenden, die aus Mitgliedern sowohl aus Deutschland als auch aus Tschechien und aus Polen bestand, arbeitete in einem Treppenhaus, das ein besonderer Platz in dem Gebäude des Heiligenhofs ist, da es sehr viele Gegenstände beherbergt, die an das Sudetenland und die Sudetendeutschen erinnern. Die Gruppe nahm Fotos auf, beschrieb und katalogisierte alle Bilder, Landkarten und Erinnerungsstücke, die an den Wänden des Treppenhauses hingen. Es war eine mühsame Aufgabe, das Treppenhaus wurde aber zum ersten Mal so sorgfältig inventarisiert. In derselben Zeit unseres Aufenthaltes im Heiligenhof fand eine Werkwoche statt, deren Mitglieder sich schon jahrelang dort zum Handarbeiten treffen. Dies stellte für uns eine gute Forschungsgelegenheit dar, weil manche von dieser Gruppe aus dem Sudetenland stammten und Zeitzeugen der Vertreibung waren. Einige von uns gingen auch in das Stadtzentrum und befragten Bewohner Bad Kissingens, was sie vom Heiligenhof wissen. Erstaunlicherweise wussten ganz wenige etwas von der Begegnungsstätte und von der Thematik, mit der sie verbunden ist. Am vorletzten Tag im Heiligenhof präsentierten wir im Plenum, was wir gesammelt und erfahren hatten.
Ähnliche Aufgaben erwarteten uns im HAUS SCHLESIEN. Man kann aber sagen, dass dort unsere Arbeit ganz anders aussah, weil es in diesem Haus unvergleichbar mehr Gegenstände und Ideen zum Forschen gab. Bevor wir uns jedoch an die Arbeit machten, begrüßte uns Nicola Remig, die Leiterin des Dokumentations- und Informationszentrums im HAUS SCHLESIEN. Sie erzählte uns viel von der Geschichte des Hauses, wie es sich entwickelt hatte und welche Pläne es für seine Zukunft gibt. Wir lernten die ganze Umgebung des Hauses kennen und wurden durch das Museum geführt, wo die komplizierte Geschichte Schlesiens und verschiedene Ausstellungsstücke dar- und ausgestellt sind. Als Vorbereitung zu unserer Forschungsarbeit hielt die Bonner Musikwissenschaftlerin Annelie Kürsten einen Vortrag über auditive Erinnerungsorte und wie man dank der sinnlichen Technik des Zuhörens forschen kann. In den nächsten zwei Tagen tauchten wir in das Museum, Archiv oder in die Bibliothek ein und schauten uns das Haus und seine Umgebung genauer an. Wir machten Recherchen, führten Interviews, untersuchten Gästebücher und nahmen Fotos und Videos, sowie, angeregt durch den Vortrag, auch Klänge auf. Im HAUS SCHLESIEN hatten wir auch die Möglichkeit, die schlesischen kulinarischen Spezialitäten zu probieren.
Gemeinsam mit zwei anderen Teilnehmenden aus Polen fragte ich mich, was die Menschen in der Umgebung von HAUS SCHLESIEN über diese Begegnungsstätte wissen. Wir fuhren nach Niederdollendorf und Königswinter und befragten Passantinnen und Passanten. Es war nicht immer einfach. Wir mussten unsere Hemmungen überwinden, und es war für uns eine ganz neue Erfahrung. Es überraschte uns aber wie ergebnisreich diese Forschungsmethode sein kann. Aus den Gesprächen konnten wir festhalten, dass das Haus fast jedem bekannt ist und die Mehrheit unserer Befragten mindestens einmal dort war und diese Begegnungsstätte positiv einschätzt. Unter anderen trafen wir drei Männer, die alte Freunde waren und sich seit Jahren regelmäßig treffen. Sie stammen aus den ehemaligen deutschen Gebieten Sudetenland, Ostpreußen und Schlesien. Sie erzählten uns ein wenig aus ihrem Leben und woran sie sich noch erinnern können, wenn es um die Vertreibung geht. Ich muss sagen, dass das Interviewen für uns unglaublich erlebnisreich war.
Am letzten Abend der Studienwoche gab es eine öffentliche Podiumsdiskussion, die die beiden Häuser als Erinnerungsstätten und die Aussichten für ihre Zukunft in den Mittelpunkt stellte. Zum Gespräch wurden Vertreter des Heiligenhofs, Hans Knapek und Gustav Binder, und vom HAUS SCHLESIEN, Prof. Dr. Michael Pietsch und Nicola Remig, eingeladen. Tschechien repräsentierte die Ethnologin Mgr. Jana Nosková Ph.D., und ich selbst hatte die Ehre, Polen zu vertreten. Die Diskussion wurde von Daniel Kraft von der Bundeszentrale für politische Bildung geleitet, der mit beiden Häusern sowie dem Thema von Bildungsarbeit bestens vertraut ist. An Podiumsdiskussionen hatte ich bisher immer nur als Zuhörerin teilgenommen, weshalb ich ein wenig Angst vor der Veranstaltung hatte. Dass ich aber aus Schlesien, aus Katowice, komme, trieb mich an, an der Diskussion als junge Stimme des heutigen Schlesiens teilzunehmen. Schließlich ist Schlesien nicht nur eine Heimat der deutschen Vertriebenen, sondern ist auch die Heimat aller, die heutzutage dort leben. Es ist sehr wichtig, dass die Menschen, die in der Gegenwart in Schlesien wohnen, die Geschichte ihrer Region besser kennenlernen und dass die deutschen Vertriebenen und ihre Nachkommen in Deutschland das heutige Schlesien kennen- und respektieren lernen.
Das Resultat unserer Erhebungen während der Studienwoche ist mit Sicherheit der Gewinn wertvollen Materials zu weiteren Arbeiten. Jeder Schritt im Prozess wurde sorgfältig protokolliert, aufbereitet und archiviert. Einige der geführten Interviews wurden direkt transkribiert. Damit wir und auch andere in der Zukunft einen Nutzen von den digitalisierten Forschungsdaten haben, hatte Maria Adam, M.A. von der Universität Mainz ein Lern-Management-System eingerichtet, in dem wir kommunizieren und archivieren konnten.
Die Studienwoche war sicherlich für alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen spannend. Für mich war die Woche ein Austausch von Kulturen, Meinungen, Erfahrungen und das Kennenlernen ganz anderer wissenschaftlicher Felder, mit denen ich mich bisher nicht beschäftigt hatte. Zusätzlich, vor allem im HAUS SCHLESIEN, war es eine wundervolle Reise in meine kleine Heimat Schlesien, die hier aber aus einer anderen als meiner eigenen Perspektive gesehen und dargestellt ist. Ich finde es ganz wichtig, dass alle, vor allem junge Menschen die Geschichte kennen lernen und sie mit der heutigen Zeit verknüpfen können.
Ewa Biolik, Studentin der Germanistik an der Schlesischen Universität in Katowice, Polen
TAGUNGEN
Den Kultur- und Bildungseinrichtungen in Deutschland und Polen kommt im Bereich der Verständigungsarbeit eine wichtige Rolle zu und gerade durch den binationalen Austausch kann der Blick für die sensiblen und spannungsreichen Aspekte in der deutsch-polnischen Geschichte geschärft werden. HAUS SCHLESIEN versucht hier mit seinen Tagungs- und Seminarangeboten einen Beitrag zu leisten.
OPA LEBT IN OBERSCHLESIEN / ALLES POLEN ODER WAS?!
„Alles Polen – oder was?! Oberschlesische (Spät-)Aussiedler zwischen regionaler Identität und Migrationsgesellschaft“
Eine Tagung im HAUS SCHLESIEN und im Oberschlesischen Landesmuseum (16. – 17.11.2024)
„Sind Oberschlesier Deutsche oder Polen? Wenn sie Deutsche sind, warum haben sie aber einen polnischen Akzent? Und wenn sie einen polnischen Akzent haben, wie können sie dann Deutsche sein? Und wenn sie Deutsche sind, warum haben viele von ihnen polnischklingende Namen? Und wenn sie Polen sind, warum benutzen sie so viele deutsche Wörter, wenn sie polnisch sprechen? Und warum sagen einige, dass sie weder Polen noch Deutsche sind?“
Ihnen kommen diese Fragen bekannt vor? Das mag daran liegen, dass Sie eventuell selbst irgendwann aus Oberschlesien in die Bundesrepublik Deutschland übersiedelten und viele Male mit Menschen sprachen, die zwar an Ihrer Herkunft interessiert waren, jedoch die Komplexität der oberschlesischen Identität bei Weitem nicht nachvollziehen konnten.
Irgendwie nicht ganz ausländisch, aber auch nicht wirklich deutsch? Mit einem offiziellen Status versehen (Aussiedler), auf zwei Stühlen sitzend, mit dem Gefühl sich für eine (nationale) Seite entscheiden zu müssen… Auch das kommt Ihnen bekannt vor? Dann sollten Sie an unserem Seminar im November teilnehmen. Das Seminar richtet sich vorrangig an (oberschlesische) Aussiedler, Spätaussiedler und deren Nachkommen sowie sämtliche Interessierte mit (familiären) Bezügen nach Oberschlesien. Die eingeladenen Wissenschaftler, Autoren und Kulturschaffenden werden sich während der zweitägigen Veranstaltung im Rahmen von Lesungen und Präsentationen aus unterschiedlichen (zum Teil persönlichen) Blickwickeln mit Begriffen wie Identität, Integration, Anpassung, Familie und familiäre Wurzeln auseinandersetzen. Zudem sollen die Teilnehmer selbst die Möglichkeit erhalten, ihre Erfahrungen und Erlebnisse im Dialog austauschen zu können.
Tagungspauschale mit Übernachtung
120,- € pro Teilnehmer, 110,- € pro Mitglied Verein HAUS SCHLESIEN inklusive 1 Übernachtung im HAUS SCHLESIEN mit Frühstück, 2 Mahlzeiten, Kaffeepausen und Programm
Tagungspauschale ohne Übernachtung
75,- € pro Teilnehmer, 65,- € pro Mitglied Verein HAUS SCHLESIEN, inklusive 2 Mahlzeiten, Kaffeepausen und Programm
Anmeldung unter kultur@hausschlesien.de oder 02244 886 231.
16. November
11.00 Uhr Begrüßung und Einstieg in das Thema. Erwartungen der Teilnehmer an das Seminar (Adam Wojtala, Dokumentations- und Informationszentrum im HAUS SCHLESIEN)
Einführungsvortrag „Warum Oberschlesier keine Polen sind – oder doch?“ (Florian Paprotny, Dokumentations- und Informationszentrum)
Der einführende Vortrag nimmt Oberschlesien als Grenzland, ja als multikulturelle Landschaft unter die Lupe mit einem besonderen Fokus auf die Identität(en) seiner Einwohner. Die facettenreiche Region weist nicht nur eine interessante und spannungsreche Geschichte auf: sie hat bis heute ihren multikulturellen Charakter und eine besondere Komplexität beibehalten, die in dem Vortrag erläutert wird.
12.30 „Oberschlesien, Integration, Heimatverlust, Identität – eine Führung durch die Dauerausstellung im HAUS SCHLESIEN“ (Adam Wojtala, Dokumentations- und Informationszentrum)
Im Rundgang durch die Dauerausstellung wird ein Schwerpunkt auf Themen gelegt, die mit der Herkunftsregion der Teilnehmer, aber auch mit Begriffen, wie „Integration und Inklusion“, „Heimat“ oder „Ausgrenzung“ zusammenhängen. Bereits während der Führung soll eine Diskussion mit den Teilnehmern rund um die eigene Familiengeschichte in Zusammenhang mit (Zwangs-) Migration stattfinden.
13.30 Mittagessen
15.00 Lesung: „Polnischer Abgang“ (Mariusz Hoffmann)
Der in Polen geborene Jungautor erzählt in seinem ersten Roman humorvoll über einen endgültigen Roadtrip einer oberschlesischen Familie nach Deutschland. Es geht um Migration, das Ankommen als Aussiedler und Aussiedlerinnen, um familiäre Verhältnisse und um Integration in der Bundesrepublik. Der Autor wir ausgesuchte Passagen aus dem Buch vorlesen, sie kontextualisieren und anschließend mit den Teilnehmenden ins Gespräch kommen.
Anschließend: Austausch der Teilnehmer und Teilnehmerinnen zu eigenen Erfahrungen im Zusammenhang mit der Übersiedlung nach Deutschland
17.00 „Rund um die Populärkultur einer mitteleuropäischen Region. Oberschlesien in Film, Musik und Literatur.“ (Adam Wojtala, Dokumentations- und Informationszentrum)
Die Komplexität der oberschlesischen Identität(en) wurde in zahlreichen künstlerischen Produkten thematisiert und bildet bis heute die zentrale Thematik in Film, Musik und Literatur in Polen und Deutschland. Der reich bebilderte Vortrag gibt einen interessanten Überblick über verschiedene Akteure und wichtige Werke der Populärkulturszene.
18.00 Uhr Abendessen
Danach Ausklang in der Rübezahlstube
17. November
Ab 07.00 Uhr Frühstück
09.00 Uhr Gemeinsame Exkursion ins Oberschlesische Landesmuseum in Ratingen/Hösel (mit einem angemieteten Bus)
11.00 Programm im Oberschlesischen Landesmuseum
Das Oberschlesische Landesmuseum ist die zentrale Anlaufstelle in Deutschland für die museale Darstellung der Kultur und Geschichte Oberschlesiens. In der Dauersaustellung sowie in den regelmäßig gezeigten Sonderausstellungen werden, ergänzt durch andere Vermittlungsformen, verschiedene Themen aus den geschilderten Bereichen vorgestellt und erörtert. Der Museumsbesuch beinhaltet insbesondere:
Spielen der beiden Escaperooms „Silesia Challenges“ und „Opas Stube“
In den beiden Escaperooms werden die Teilnehmenden spielerisch in die oberschlesische Geschichte und Kultur eintauchen. In den beiden Spielen wird Oberschlesien mit allen Sinnen erlebt. Sprache und Dialekt, Esskultur und Fußball sowie Gesellschaft und Politik tauchen dort auf unterschiedliche Weise auf. Weitere Aufgaben zu den Themen Bergbau, Kindheit, schlesische Persönlichkeiten und Geschichte sind etwas kniffliger und Escape Room-Fans kommen hier voll auf ihre Kosten.
Führung durch die Dauerausstellung
Die Dauerausstellung hat die Kultur und Geschichte Oberschlesiens zum Thema, die drei Hauptthemen besonders beleuchten: „Oberschlesien vor der Industrialisierung”, „Oberschlesien und die Industrie”, „Oberschlesien in der Politik des 20. Jahrhunderts.
13.30 Mittagsimbiss
„Oberschlesische Aussiedler zwischen Integration, Identitätskrise und neuem Selbstbewusstsein“ (Dr. David Skrabania, Direktor des Oberschlesischen Landesmuseums)
Zwischen 1950 und 1992 kamen etwa 1,5 Mio. Aussiedler aus Polen in die Bundesrepublik Deutschland, davon ca. 1 Mio. Oberschlesier. Die meisten von Ihnen kamen in den 1970er und 1980er Jahren. Der Vortrag behandelt die Integrationsprozesse, Bewältigungsmethoden und das neue Selbstbewusstsein der oberschlesischen Aussiedler und ihrer Nachkommen.
Anschließende Diskussion
Kaffee und Kuchen
Führung durch die Sonderausstellung: „Silberfieber. Der Tarnowitzer Bergbau – das UNESCO-Welterbe in Oberschlesien“
16.15 Fazit
16.30 Rückfahrt ins HAUS SCHLESIEN
OMA KOMMT AUS SCHLESIEN
Herkunftsgeschichten bewegen Familien – bis heute sind Fluchtschicksale dabei von großer Aktualität. Fragen nach Herkunft, Heimat und Identität sind jedoch selten eindeutig zu beantworten, besonders dann, wenn ein Teil der Vorfahren aus einer anderen Region kam. Mehr als 25 Prozent der Deutschen geben an, dass sie selbst oder ein Familienmitglied zu den deutschen Heimatvertriebenen zählen. Aufgewachsen mit den Geschichten „aus der Heimat“ oder auch nur mit einem undefinierbaren Gefühl, nicht hierher zu gehören: Viele Kinder und Enkel tragen an der Last der Erinnerungen und den Traumata der vertriebenen Vorfahren. Die Erfahrungen der Erlebnisgeneration haben ihre Spuren hinterlassen und prägen oft unbewusst bis heute ihr Leben und ihre Familien. Auch wenn sie bereits in der „neuen Heimat“ geboren wurden und keine eigenen Erinnerungen an Schlesien haben, übertrugen sich die Fluchterfahrungen und das Fremdheitsgefühl der Eltern auf die Nachkommen. Die aus der Erfahrung der Entwurzelung heraus entwickelten Verhaltensweisen und Ängste haben sich teilweise bis in die Enkelgeneration „vererbt“.
Das Seminar von HAUS SCHLESIEN mit finanzieller Förderung durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien behandelt exemplarisch anhand der erzwungenen Fluchtsituation aus Schlesien Erfahrungen und Erkenntnisse zum Umgang mit Flucht und Vertreibung in den Familien. Einführende Fachvorträge von Wissenschaftlern und Autoren befassen sich mit ganz unterschiedlichen Aspekten und legen eine fundierte Grundlage für die jeweils anschließenden Gesprächsrunden, in denen die Teilnehmer die Thesen diskutieren und eigene Erfahrungen und Eindrücke austauschen können. Neben der Möglichkeit, anhand des vermittelten Wissens die Situation der Erlebnisgeneration aber auch die eigenen Erfahrungen nachvollziehen und einordnen zu können, soll vor allem der Austausch untereinander dazu beitragen, die individuelle Familiengeschichte aufzuarbeiten, sich mit den Gefühlen von Heimatlosigkeit auseinanderzusetzen und eigene Verhaltensmuster zu verstehen.
Tagungspauschale:
140 € pro Person (1 Übernachtung mit Frühstück, Dusche/WC, 2 Mittag- und 1 Abendessen, Pausenversorgung mit Kaffee, Mineralwasser, Gebäck), ohne Übernachtung 85 € pro Person.
Mitglieder des Vereins HAUS SCHLESIEN: 120 € mit Übernachtung, 75 € ohne Übernachtung.
Anmeldung unter kultur@hausschlesien.de oder 02244 886 231.
Samstag 12.10.2024
11.00 Uhr
Begrüßung und Einstieg in das Thema.
Nicola Remig, Dokumentations- und Informationszentrum im HAUS SCHLESIEN
THEMA HEIMATVERLUST
11.15 Uhr Omas Weg nach Westen. Flucht, Vertreibung, Aussiedlung, Integration von 3,2 Mio. Menschen aus Schlesien.
Vortrag von Prof. Dr. Winfrid Halder, Gerhart-Hauptmann-Haus, Düsseldorf
12.15 Uhr Moderierte Gesprächsrunden mit Kaffee zum Thema Heimatverlust
13.15 Uhr Mittagessen
THEMA FAMILIENGEDÄCHTNIS
14.30 Uhr Spätfolgen von Flucht und Vertreibung für drei Generationen
Vortrag von Prof. Dr. med. Bertram von der Stein, Psychotherapeut, Köln
15.30 Uhr Moderierte Gesprächsrunden mit Kaffee zum Umgang in zweiter und dritter Generation mit dem Vertreibungsschicksal
THEMA ERINNERUNGSTRANSFER
16.30 Uhr Erinnerungen an Flucht, Vertreibung und typisch Schlesisches. Führung durch Museum und Park von HAUS SCHLESIEN.
Silke Findeisen, Dokumentations- und Informationszentrum im HAUS SCHLESIEN
18.00 Uhr Abendessen
19.30 Uhr Gegenwart und Vergangenheit – Menschen und Regionen. Spurensuche in Schlesien. Bildvortrag von Nicola Remig, Dokumentations- und Informationszentrum im HAUS SCHLESIEN
Anschließend Möglichkeit zum individuellen Gesprächsaustausch und Ausklang.
Sonntag 13.10.2024
THEMA ERINNERUNG UND SPURENSUCHE
09.00 Uhr Die Situation in Schlesien 1945.
Vortrag von Silke Findeisen, Dokumentations- und Informationszentrum im HAUS SCHLESIEN
09.45 Uhr Filmvorführung „Kinder des Krieges“ von Joanna Mielewczyk, Breslau/Görlitz
10.45 Uhr Kaffeepause
11.15 Uhr Zeitzeugengespräch mit dem Filmprotagonisten Jürgen Hempel, Frankfurt und der Regisseurin Joanna Mielewczyk. Moderation Nicola Remig, HAUS SCHLESIEN12.30 Uhr Mittagessen
14.00 Uhr Abschlussgespräch
Anschließend individuelle Recherchemöglichkeit in der Bibliothek. Bitte Themenwünsche vor oder zu Beginn des Seminars angeben.
KANT 2.0
Ewiger Friede? Kant, Krieg und kein Ende
Ein Seminar zum 300. Geburtstag von Immanuel Kant (1724-1804) und „aus gegebenem Anlass“ im HAUS SCHLESIEN, 25. – 26. Oktober 2024
Kooperationsprojekt der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus mit dem Dokumentations- und Informationszentrum im HAUS SCHLESIEN
Die 1795 zuerst erschienene Schrift „Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf“ von Immanuel Kant (1724-1804) dürfte bis heute einer der bekanntesten Texte des Königsberger Philosophen sein, und zwar weit über philosophische Fachkreise hinaus. Davon zeugt etwa der Umstand, dass gerade diese Schrift Kants im aktuellen Buchhandel gleich in mehreren kostengünstigen Ausgaben zu haben ist. Besonders in Deutschland war (und ist?) offenbar die Überzeugung verbreitet, dass Kants Überlegungen zur Herstellung dauerhaften Friedens nach wie vor Leitlinien in unfriedlichen Zeiten vermitteln können. Auffällig ist nämlich auch, dass zwischen 1945 und 1949, unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg also und im Zeichen des beginnenden „Kalten Krieges“ mit seiner atomaren Vernichtungsdrohung, rund ein Dutzend Neuausgaben der Friedens-Schrift erschienen sind.
Das Seminar versucht einerseits Kants Friedensvorstellungen von ihren Voraussetzungen her zu erklären und anschließend nach deren Wirkungen zu fragen. Keineswegs zufällig hat Kant „Zum ewigen Frieden“ während der großen, durch die Französische Revolution ausgelösten Kriegsära geschrieben, deren Ende 1814/15 er selbst gar nicht mehr miterlebte. Spielten Kants Überlegungen andererseits seither eine Rolle, wenn die praktische Politik Versuche unternahm, gewaltsame Großkonflikte in dauerhafte Friedensordnungen zu überführen? Dieser Frage soll durch eine vergleichende Perspektive auf historische Friedensschlüsse nachgegangen werden. Am Ende soll diskutiert werden, ob Kants Friedensgedanken heute noch wegweisend sein können.
Das Seminar richtet sich an ein philosophisch, historisch und politisch interessiertes Laienpublikum.
Teilnehmerbeitrag: 140 Euro/Person (1 Übernachtung mit Frühstück, 1 Abend- und 1 Mittagessen, Pausenversorgung mit Kaffee, Mineralwasser, Gebäck), ohne Übernachtung 85 Euro/Person, Mitglieder des Vereins HAUS SCHLESIEN: 120 € mit Übernachtung, 70 € ohne Übernachtung.
Anmeldung unter kultur@hausschlesien.de oder 02244 886 231.
Bild: Wikicommons, gemeinfrei.
Freitag, 25. Oktober 2024
13:30-13:45 Uhr: Begrüßung und Einführung (Nicola Remig/Prof. Dr. Winfrid Halder)
13:45-15:00 Uhr: Immanuel Kant (1724-1804): Biographische und zeitgeschichtliche Kontexte der Schrift „Zum ewigen Frieden“ (N. N.)
15:00-15:30 Uhr: Kaffeepause
15:30-17:00 Uhr: Politik, Krieg und Kriegführung im 18. Jahrhundert: Kontinuitäten und Wandel vom Spanischen Erbfolgekrieg zu den Revolutionskriegen 1700-1795 (Prof. Dr. Bernhard Kroener)
17:30-19:30 Uhr: Abendessen
19:30-21:00 Uhr: Kants Denken über Frieden – Leitideen für heute? (Prof. Dr. Hans-Ulrich Baumgarten) – Öffentlicher Abendvortrag
Samstag, 26. Oktober 2024
09:00-10:15 Uhr: Wien 1814/15 und Pariser Vorortverträge 1919/21: Stabile europäische Ordnung(en)? (Prof. Dr. Guido Thiemeyer)
10:15-10:45 Uhr: Kaffeepause
10:45-12:00 Uhr: Frieden nach dem Zweiten Weltkrieg? Der Friedensschluss im Zeichen des Kalten Krieges (Prof. Dr. Jost Dülffer)
12:00-13:15 Uhr: Friede, aber wie? Deutsche Konzepte nach der Katastrophe – Ernst Jünger: Der Friede (1945) und Reinhold Schneider: Der Friede der Welt (1956) (Prof. Dr. Winfrid Halder)
13:15-14:30 Uhr: Mittagessen
14:30-16:00 Uhr: Frieden für die Ukraine, für Israel – Philosophische und historische Anknüpfungspunkte für die Gegenwart – Podiumsdiskussion (Baumgarten, Thiemeyer, Dülffer, N. N.)
KULTUR AUF REISEN
Schlesien ist mit kulturellen und landschaftlichen Höhepunkten reich gesegnet. Städte wie Breslau, Neisse oder Hirschberg faszinieren durch ihre Geschichte, historischen Bauwerke und das moderne pulsierende Leben. Wallfahrtsorte, Schlösser, Herrenhäuser und Burgruinen laden jeden Reisenden zur Besichtigung ein. HAUS SCHLESIEN versucht, mit einem wechselnden Reiseangebot den zahlreichen Sehenswürdigkeiten von Schlesien gerecht zu werden.
Studienreise 2024
Prag und Breslau – „Kunstkammer“ und „Blume“ Europas – kulturhistorische Spuren und musikalische Impressionen zwischen Moldau und Oder
Kooperation von HAUS SCHLESIEN Königswinter und dem Netzwerk Ludwig van B. Bonn
Leitung: Nicola Remig, HAUS SCHLESIEN, Dr. Inge Steinsträßer, Bonn und Dr. Solveig Palm, Bonn
Bei Rückfragen 02244 886 232.
Zeitraum: Donnerstag, 30.5. (Fronleichnam) bis Freitag 7.6.2024
Reiseagentur: INTERCONTACT Gesellschaft für Studien- und Begegnungsreisen mbH
Änderungen vorbehalten.
Prag und Breslau haben vieles gemeinsam, vor allem eine über Jahrhunderte währende historische Verbindung, die im Westen Europas weniger bekannt ist. Der Name Breslau, das alte Wratislawia, polnisch Wrocław, geht auf den böhmischen Herzog Vratislav I. (10. Jhdt.) zurück. Zwischen dem 14. und 18. Jhdt. stand Schlesien unter der Herrschaft der böhmischen Krone, ehe es eine preußische Provinz wurde und heute zu Polen gehört.
Prag, die Hauptstadt Tschechiens, zieht stets seine Besucher in ihren Bann! Die Wirkung geheimnisvoller Gassen, verwunschener Gärten, von prächtigen Adelspalästen, ein Gang über die Karlsbrücke, der alles überragende majestätische Burgberg, (Hradschin) mit dem Veitsdom, die Altstadt mit dem historischen Rathaus, der Wenzelsplatz, das unzerstörte jüdische Viertel und die zweite Burg, der Vyšehrad, am rechten Ufer der Moldau, lassen Gegenwart und Vergangenheit zu einer Einheit verschmelzen.
Friedrich (Bedřich) Smetana (1824-1884), hat in seiner berühmten sinfonischen Dichtung „Die Moldau“ den Lauf des Flusses nachgezeichnet und seinem Heimatland damit ein bleibendes musikalisches Denkmal gesetzt. Anlässlich der 200. Wiederkehr seines Geburtstages widmen wir uns auf der Reise seinem Werk und anderen in Prag tätigen Komponisten und Künstlern wie Mozart, Beethoven, Antonin Dvořak. Darüber hinaus gewinnen wir Einblicke in das literarische Prag, im Mittelpunkt steht der gebürtige Prager Franz Kafka (1883-1924), dessen 100. Todestag sich 2024 jährt.
Prag besitzt eine beträchtliche Anzahl bedeutender Kirchen, Kunstschätze und Museen, die der Stadt auch den Beinamen „Kunstkammer Europas“ einbrachte.
In Breslau machen sich die Spuren der langen böhmisch-habsburgischen Geschichte nach wie vor im Stadtbild bemerkbar, vor allem im prächtigen barocken Universitätsgebäude, der Leopoldina und im ehemaligen Kloster der Kreuzherren mit dem Roten Stern, heute Bibliothek Ossolineum.
Der Mittelpunkt Schlesiens als altes Handelszentrum zwischen Prag, Wien, Budapest, Warschau und Berlin, spiegelt 1000 Jahre wechselvoller Ereignisse in Europa wider. Abwechselnd unter polnischer, böhmischer und preußisch-deutscher Herrschaft stehend, prägten alle drei Kulturen das Bild der Stadt, aber auch religiöse Vielfalt, sowie Gegensätze zwischen Katholiken, Protestanten und Juden. Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges, dem umwälzenden Bevölkerungsaustausch nach 1945 und dem hervorragend gelungenen Wiederaufbau, ein Kontrast zwischen Tradition und Moderne, pulsiert heute in Breslau das Leben. Das Attribut „Die Blume Europas“ des britisch-polnischen Historikers Norman Davies kommt hier voll zur Geltung.
In beiden Städten werden wir an ausführlichen Stadtführungen teilnehmen, dazu an musikalischen Angeboten in Oper, Theater oder Konzert. Fakultative Anregungen für die Freizeit bzw. weitere sachkundige Führungen in kleineren Gruppen oder Erkundungen in Eigenregie zu spannenden Zielen lassen der Entdeckungslust viel Raum.
Informationen:
Die Reise ist für gehbehinderte Personen im Allgemeinen nicht geeignet. Im Zweifel kontaktieren Sie bitte die Reiseagentur INTECONTACT wegen Ihrer individuellen Bedürfnisse vor der Buchung.
Preis:
1.340 € pro Person im Doppelzimmer für Mitglieder des Vereins HAUS SCHLESIEN
1.500 € pro Person im Doppelzimmer
Einzelzimmerzuschlag 250 €
Im Preis enthalten sind die Reise im modernen Reisebus, 1 Übernachtung im HAUS SCHLESIEN mit Einführungsabend, 4 Übernachtungen in Prag, 3 Übernachtungen in Breslau inkl. Frühstück, Halbpension, Programm und Eintritte, Führungen und Eintritte, Audiosystem Quietvox, wissenschaftliche Reiseleitung.
Zu Beginn der Reise wird ein Barbetrag von 50 € pro Person eingesammelt für nicht vorab planbare Kosten im Zusammenhang mit dem Kulturprogramm und Gebühren. Nicht benötigtes Geld wird am Ende der Reise mit Ihnen abgerechnet.
Anmeldung:
INTERCONTACT Studien- und Bildungsreisen
Marco Dietz
Tel. 02642-2009-18
Fax. 02642-2009-38
mdietz@ic-gruppenreisen.de
In der Wässerscheid 49
53424 Remagen
www.intercontact-reisen.de
Informationen zum Reiseverlauf:
HAUS SCHLESIEN Dokumentations- und Informationszentrum
Nicola Remig
Tel. 02244 886 232
kultur@hausschlesien.de oder remig@hausschlesien.de
HAUS SCHLESIEN
Dollendorfer Str. 412
53639 Königswinter-Heisterbacherrott
1. Tag Donnerstag, 30.5.
bis 16.00 Uhr Anreise ins HAUS SCHLESIEN
16.30 Uhr Fakultativ Führung durch die Dauerausstellung (N. Remig)
17.30 Uhr Imbiss
18.00h Uhr Einführungsvortrag mit musikalischen Beispielen: Dr. Inge Steinsträßer und
Dr. Solveig Palm
19.00 Uhr Abendessen
2. Tag Freitag, 31.5.
Ab 7 Uhr Frühstück
8 Uhr Abreise über A3 Würzburg, Nürnberg, Pilsen nach Prag.
Ankunft ca. 16h/16.30h Einchecken im Hotel
18h/19 Uhr Abendessen – kleiner Abendspaziergang in Hotelnähe
3. Tag Samstag, 1.6.
9 Uhr Brücke zwischen Prag und Breslau – Stadtrundgang durch die Prager Altstadt, Karlsbrücke mit Brückenturm (Peter Parler), Kreuzherrenkirche, (Kreuzherren mit dem Roten Stern), Karls-Universität (Clementinum), Krönungsweg, Altstädter Ring, Altstädter Rathaus mit astronomischer Uhr, Tynkirche, St. Nikolaus am Altstädter Ring, (Kilian Ignaz Dientzenhofer) Gedenken an Franz Kafka. Führung Monica Bubna-Litic.
Individuelle kurze Mittagspause
„Unter dem Davidstern“ Rundgang mit Führung durch Monica Bubna-Litic durch das ehemalige jüdische Viertel mit sechs erhaltenen Synagogen, Wurzeln im 11. Jhdt. – Maisel-Synagoge, Altneu-Synagoge, Pinkas-Synagoge, Jüdischer Friedhof, Jüdisches Museum.
Anschließend individuell Freizeit oder fakultativ: Kleiner Rundgang mit Führung von Inge Steinsträßer um den Wenzelsplatz, Franziskanergarten, Kirche Maria Schnee, Klarissenkloster, Nationaltheater.
Bootsfahrt auf der Moldau oder einfach durch die Stadt bummeln.
Frühes Abendessen in der Stadt – Konzert oder Musikabend
4. Tag Sonntag, 2.06.
9 Uhr Majestätisch über der Moldau – ein Besuch der Prager Burg (Hradschin) – Kathedrale St. Veit mit Wenzelskapelle (Ursprung im 10. Jhdt.), alter Königspalast mit Vladislav-Saal (15. Jhdt.) St. Georgs-Basilika und Kloster, Grablege Herzog Vratislav I. – Namensgeber der Stadt Breslau – Goldenes Gässchen mit Kafka-Wohnhäuschen (zwischen 1916 und 1917), anschließend kleiner Rundgang über den Burgberg mit bedeutenden Adelspalästen, u.a. Erzbischöfliches Palais, Palais Schwarzenberg, Palais Czernin, Loretto Kirche – Abstieg durch die Nerudagasse zum Kleinseitner Ring. Führung Monica Bubna-Litic.
Individuelle Mittagspause
Nachmittags individuell Freizeit oder fakultatives Angebot: Auf den Spuren des Böhmischen Adels mit Führung von Inge Steinsträßer – Rundgang auf der Kleinseite – St. Nikolaus (Christoph und Kilian Ignaz Dientzenhofer) –St. Thomas (13.Jhdt.) u.a. Palais Waldstein und Waldstein-Gärten, Malteser Platz, Palais Buquoi, Palais Nostitz, kurzer Besuch der „Kampa“, (Halbinsel in der Moldau), Palais Lobkowicz (Deutsche Botschaft), Palais Schönborn (Amerikanische Botschaft), Kirche Maria Victoria mit dem „Prager Jesulein“, Palais Vrtba mit berühmtem barockem Terrassengarten (Eintritt), Mozartmuseum in der Villa Bertramka.
Bootsfahrt auf der Moldau oder einfach durch die Stadt bummeln.
19 Uhr Abendessen in der Stadt oder im Hotel
5. Tag Montag, 3.06.
9 Uhr Vyšehrad – Wiege der Přemysliden, der ersten tschechischen Herrscher – Barocke Festung, Besuch der St Peter- und Paul-Basilika, gegr. um 1070 durch Vratislav II., im 19. Jhdt. neogotische Umgestaltung mit Jugendstilelementen, Vyšehrader Friedhof, Grablege vieler berühmter tschechischer Künstler, Dichter und Musiker, u.a. Antonín Dvořák, Bedřich Smetana, Rafael Kubelík, Jan Neruda, Alfons Mucha. Führung Monica Bubna-Litic.
Individuelle Mittagspause
Nachmittags Freizeit oder verschiedene fakultative Angebote mit Führung von Inge Steinsträßer: Kloster Strahov mit berühmter Bibliothek (17. Jhdt.), ehemaliges Kloster St. Gabriel, Perle der Beuroner Kunst (mit Monica Bubna-Litic), die Prager Neustadt zwischen Wenzels- und Karlsplatz, Laurenziberg mit Besteigung des Prager Eiffelturms, Besuch des Kafka-Museums in der Hergetova-Ziegelei am Kleinseitner Moldau-Ufer, Nationalmuseum am Wenzelsplatz oder andere Prager Museen.
Bootsfahrt auf der Moldau oder einfach durch die Stadt bummeln.
Frühes Abendessen in der Stadt
19.30/20 Uhr Konzert oder Oper
6. Tag Dienstag, 4.6.
8 Uhr Fahrt über Nordböhmen (Autobahn), Reichenberg/Liberec (evtl. Zwischenstopp ca. 1 Std. mit Kurzführung, Inge Steinsträßer) und Görlitz (evtl. Zwischenstopp mit Kaffeetrinken) nach Breslau. (Ca. 5,5 Std. ohne Pause)
Einchecken im Hotel Kamienice Pod Aniołami (zentrale und ruhige Lage neben dem Stadtschloss)
18 Uhr Abendessen – danach fakultativ kleiner Abendspaziergang durch die Stadt
7. Tag Mittwoch, 5.6.
9 Uhr Führung durch die historische Altstadt von Breslau, Elisabethkirche mit restaurierter Engler-Orgel (kurzes Orgelkonzert) – Dom- und Sandinsel, Führung Dr. Maciej Wronecki
13 Uhr Individuelle Mittagspause
15 Uhr Fortsetzung der Führung: Universität mit Aula Leopoldina, Oratorium Marianum und Aussichtsplattform; Nationales Forum für Musik, Abschluss im Jüdischen Viertel mit Synagoge zum Weißen Storch (ÖZ: bis 17h), Gedenktafel der ehemaligen Synagoge.
18/19 Uhr Abendessen in der Stadt
8. Tag Donnerstag, 6.6.
10 Uhr (Reisebus): Besuch des jüdischen Friedhofs Führung von Dr. Renata Wilkoszewska-Krakowska.
Individuelle Mittagspause
Nachmittags individuell Freizeit oder fakultativ: Stadtschloss mit Ausstellung „1000 Jahre Breslau“, Historisches Rathaus, Panorama Racławice, Nationalmuseum
Bootsfahrt auf der Oder
Frühes Abendessen in der Stadt
Zum Abschluss: Konzert im Nationalen Musikforum oder Oper
9. Tag Freitag, 7.6.
7.30/8 Uhr bis ca. 18 Uhr Rückreise nach Königswinter
Bericht Beethovenreise 2022
Beethoven – die zweite!
„Auf den Spuren Ludwig van Beethovens in Böhmen-Mähren-Schlesien“
Kulturreise von und mit HAUS SCHLESIEN vom 8. bis 17. Mai 2022
Biografie und Werk Ludwig van Beethovens bildeten den Rahmen der gesamten Reise, eingebettet in eine wunderschöne Landschaft und in eine Vielfalt historischer Orte, die man von vornherein nicht unbedingt mit dem Komponisten in Verbindung bringen würde.
Ein musikalischer Einführungs- und Kennenlernabend am 8. Mai im HAUS SCHLESIEN steigerte die Vorfreude auf die Reise, nicht zuletzt durch die entzückenden kleinen Beethoven-Sonatinen für Mandoline und Klavier (WoO 44b, 43 b, 43 a), vorgetragen von der erst sechzehnjährigen Svenja Lienemann aus Hennef, begleitet von der Bonner Pianistin Liudmila Giovoina am Gerhart Hauptmann-Flügel.
Mit einem bequemen Bus von Decker-Reisen aus Königswinter starteten wir am nächsten Morgen erwartungsvoll in Richtung Dresden. In der sächsischen Residenzstadt hatte Beethoven 1796 bei Kurfürst Friedrich August III. eine Kostprobe seines Könnens am Piano gegeben, ehe er nach Leipzig und Berlin weiterreiste. Wir erlebten in Dresden eine hervorragende Stadtführung, die uns einen anschaulichen Überblick über das Musikschaffen am sächsischen Hof und einen Einblick in die wechselvolle Stadtgeschichte vermittelte.
Unsere nächste Station Oberglogau (poln. Głogówek) in Oberschlesien bewahrt mit dem jährlich stattfindenden Beethoven-Festival die Erinnerung an Beethovens Besuch im Jahre 1806 in Begleitung seines Hauptmäzens, Fürst Karl von Lichnowsky (1761-1814). Im örtlichen Museum, einer Partnerorganisation von HAUS SCHLESIEN, wurde uns durch den Leiter, Aleksander Devosques-Cuber, ein überaus herzlicher Empfang bereitet. Wir erlebten nicht nur eine interessante Führung durch das in Restaurierung befindliche Schloss und die Stadt, sondern nahmen in der prächtig ausgestatteten Stadtpfarrkirche St. Bartholomäus an einem eigens für uns vorbereiteten kleinen Orgelkonzert teil, ergänzt durch den klangvollen Gesang eines jungen Baritons.
Den Abend beschlossen wir in einem familiär geführten Hotel im oberschlesischen Neustadt (Prudnik), dicht an der Grenze zur Tschechischen Republik.
Am dritten Reisetag stand Jägerndorf (tschechisch Krnov), ein ehemals eigenständiges schlesisches Herzogtum, geprägt von den Fürsten von Liechtenstein, auf dem Plan. In Jägerndorf besuchten wir die Synagoge, durchwanderten die nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges restaurierte Innenstadt mit Minoritenkirche, Stadtpfarrkirche St. Martin, der gotischen Heilggeistkirche, heute Konzertsaal und setzten uns auf die Spuren des Jugendstilarchitekten Leopold Bauer (1872-1938). Die Wallfahrtskirche zur Schmerzhaften Muttergottes auf dem die Stadt alles überragenden Hausberg Cvilín ließ etwas von der Volksfrömmigkeit vergangener Zeiten erahnen. Von weit her grüßte uns hier schon der Gipfel des Altvaters, begehrtes Ziel unseres späteren Erholungsausflugs ins Gebirge.
Für die nächsten Tage hatte erst einmal das Leben aus dem Koffer ein Ende. Im Hotel Koruna in Troppau (tschechisch Opava) checkten wir für vier Nächte ein. Ein ausgiebiger Stadtrundgang machte uns mit der einstigen Hauptstadt (bis 1918) des kleinsten österreichischen Kronlandes näher bekannt. Wir entdeckten zu unserer Freude auch die Beethovengasse, an deren westlichen Ende sich im ehemaligen Mutterhaus der Deutschordensschwestern das „Kirchliche Konservatorium des Deutschen Ordens“ (Církevní konzervatoř Německého řádu) befindet, wo wir in den Genuss eines unvergesslichen Beethoven-Konzertes durch Studierende und Dozenten kamen. Die vom kleinen Kammerchor in deutscher Sprache vorgetragene „Ode an die Freude“ ließ uns alle miteinstimmen und die Hoffnung aufkeimen, die Welt möge tatsächlich angesichts aller politischer Krisen eine bessere werden.
Schloss Grätz (Hradec nad Moravici) war für uns Beethoven-Reisende ein absolutes Muss: Hier verbrachte Beethoven nachweislich 1806 und 1811 mehrere Wochen auf Einladung von Karl Lichnowsky. Dem Fürsten hatte Beethoven u.a. seine 2. Sinfonie und die Klaviersonate Nr. 8 c-moll, op. 13, die „Pathétique“ gewidmet. Das Schloss, heute ein Museum, birgt viele Erinnerungen an die Familie Lichnowsky, die bis 1945 hier lebte.
Ein Highlight unserer Reise war eine Tagesexkursion nach Olmütz (Olomouc), in die frühere Hauptstadt Mährens. Wir streiften unter der kompetenten Leitung des städtischen Tourismusführers, Stefan Blaho, durch eine liebenswerte Stadt mit zahlreichen schönen Gebäuden, Plätzen zum Verweilen, einem umfassenden Kulturleben und vielen sehenswerten Sakralbauten, allen voran der gotische Wenzelsdom.
Mährisch-Schlesien mit etwas Wehmut verlassend, begaben wir uns im letzten Teil unserer Reise nach Teplitz (Teplice) in Nordböhmen. Ein Zwischenstopp beim Schloss Doudleby (Daudleb) an der Adler in Ostböhmen, seit Jahrhunderten im Besitz der Grafen von Bubna-Litic, brachte uns nicht nur eine Stärkung mit leckeren Buchteln und Kaffee, sondern auch eine Begegnung mit dem Schlossherrn Peter Dujka und vor allem mit seiner Schwester, Monica Bubna-Litic, die so vieles zum Gelingen unserer Reise beigetragen hatte.
In Teplitz, dem seinerzeit mondänsten Kurort Europas, begaben wir uns wiederum auf Beethovens Spuren. Hier hatte 1812 das legendäre Treffen zwischen Beethoven und Goethe stattgefunden. Von beiden Kunstschaffenden lange herbeigesehnt, führte es aber nicht zur erhofften Harmonie. Beethoven kritisierte das in seinen Augen unterwürfige Verhalten des Dichterfürsten dem anwesenden Adel gegenüber, Goethe empfand Beethoven als „eine ungebändigte Persönlichkeit“, die sich nicht um die üblichen gesellschaftlichen Umgangsformen scherte.Hier in Teplitz hatte das hiesige Konservatorium für unsere Gruppe wiederum ein begeisterndes Beethoven-Konzert arrangiert, welches dem von Troppau in nichts nachstand.Unser Abendessen nahmen wir im Café Beethoven ein, ehemals Gasthof „Zur Harfe“, wo Beethoven bei seinem Aufenthalt 1812 logiert hatte. Das Geheimnis um den berühmten Brief Beethovens an seine „unsterbliche Geliebte“, von Solveig Palm anschaulich in Auszügen aus ihrem Bühnenstück „Es musste sein – fast eine Liebesgeschichte“ (2020) geschildert, ergänzt durch die Komposition „Andante favori“ (WoO 57), ließ sich jedoch bei allen lebhaften Spekulationen um die Identität der Unbekannten nicht lüften. Beethoven nahm das Geheimnis mit ins Grab!
Beethovens 2. Sinfonie begegnete uns am vorletzten Reisetag noch einmal am Beethovendenkmal in Karlsbad. An seinen Freund Franz Gerhard Wegeler hatte der Komponist am 16. November 1801 während der Arbeit an diesem Werk geschrieben: „Ich will dem Schicksaal in den Rachen greifen, ganz niederbeugen soll es mich gewiß nicht“. Auf einem der Reliefs am Karlsbader Denkmal finden sich diese bemerkenswerten Worte wieder. In der Literatur wird die Entstehung der 2. Sinfonie als ein wichtiges Zeugnis für die inneren Kämpfe Beethovens gewertet, als seine fortschreitende Ertaubung immer deutlicher wurde.
Karlsbad und Franzensbad in Westböhmen als bekannte historische Kurorte im Dreibädereck, setzten zwei großartige Schlusspunkte unseres Beethoven-Memorial. Die gesamte Exkursion, voller intensiver Eindrücke und Erlebnisse, bleibt allen Mitreisenden in bester Erinnerung.
Inge Steinsträßer