Dauerausstellung im HAUS SCHLESIEN
Die neue Dauerausstellung des Dokumentations- und Informationszentrums (DIZ) hat am 20. Mai 2022 ihre Pforten geöffnet. Auf 300 qm ist eine Erinnerungslandschaft zu entdecken, die analog zum Namen HAUS SCHLESIEN aus acht Häusern besteht, die verschiedene Themen beherbergen.
Der Spaziergang beginnt im ersten Haus mit der Erklärung der unterschiedlichen territorialen Zugehörigkeiten Schlesiens in seiner tausendjährigen Geschichte. Es wird deutlich, dass die Region im Laufe der Jahrhunderte von verschiedenen Seiten beansprucht wurde und wie ihre politischen Grenzen sich veränderten. Die beiden Nachbarhäuser zeigen das Nachwirken dieser Einflussnahme im 20. Jahrhundert, als Schlesien in ein Spannungsfeld zwischen Deutschland und Polen geriet. Erfahrbar wird dies an gemeinsamen Erinnerungsorten, die in der Erinnerungskultur beider Seiten Relevanz besitzen und zu jeweils unterschiedlichen Bewertungen führten und führen: Der St. Annaberg war bereits seit dem 18. Jahrhundert einer der wichtigsten Pilgerorte für sowohl deutsch- als auch polnischsprachige oberschlesische Katholiken, wurde aber während des dritten Aufstandes in Oberschlesien 1921 zum Schauplatz des bewaffneten Konfliktes zwischen deutschen und polnischen Kräften um die nationale Zugehörigkeit des Gebietes. Die propagandistische Aufladung der „Schlacht auf dem Annaberg“ machte ihn zum Symbol für den Konflikt zwischen Deutschland und Polen. Heute ist er nach einem langen und schwierigen Annäherungsprozess wieder ein wichtiger Pilgerort und steht für die deutsch-polnische Aussöhnung.
Im nächsten Haus geht es um Flucht und Vertreibung während der NS-Zeit und als Folge des Zweiten Weltkrieges, die sowohl die aus Schlesien vertriebenen Deutschen betraf, als auch die Polen, die in der Region angesiedelt wurden. Die Ankunft in den „neuen Heimaten“ und die Integration in die Nachkriegsgesellschaften werden im Nachbarhaus thematisiert und waren ein jahrzehntelanger mühevoller individueller sowie politischer Prozess. Die Erfahrung des Heimatverlustes führte häufig zu Traumata, die bis in die folgenden Generationen nachwirken. In diesem Kontext ist auch der nächste Themenkomplex zu sehen: Das Sammeln von Erinnerungsstücken. Die Motivation, Erinnerungsstücke aus der verlorenen, und lange unerreichbaren Heimat zusammenzutragen, war Teil der Verarbeitung der Verlusterfahrungen. Die Geschichte von Alltagsgegenständen, aber auch einer Fülle wertvoller Exponate von Privatsammlern, aus Heimatsammlungen und der Sammlung von HAUS SCHLESIEN zeigen diese Erinnerungsarbeit und geben einen Einblick in die vielfältige schlesische Erinnerungskultur.
Ein weiteres Haus thematisiert die Wirtschafts- und Sozialgeschichte Schlesiens. In der Erinnerung vieler Schlesier spielt die charakteristische schlesische Gutshofwirtschaft eine große Rolle, aber auch für die Region spezifische handwerkliche Produkte und Industriezweige, vor allem der Bergbau. Eine besondere Rolle nimmt das Weberhandwerk ein, dem Gerhart Hauptmann mit seinem bekanntesten Werk „Die Weber“ ein Denkmal gesetzt hat, das die sozialen Verwerfungen der Zeit thematisiert.
Die Kultur- und Wissenschaftsmetropole Breslau symbolisiert im nächsten Haus nicht nur den historischen Bruch von 1945, sondern auch ein Zusammenwachsen von Vergangenheit und Gegenwart seit der politischen Wende 1989. Als Europäische Kulturhauptstadt 2016 und als junge, von vielen Hochschulen geprägte Stadt macht sie auch in schwierigeren Zeiten weiterhin Hoffnung auf das Überwinden von Gegensätzen.
Im letzten Haus beschließt die Heilige Hedwig als gemeinsamer Bezugspunkt von Deutschen und Polen den Ausstellungsrundgang. Spätestens seit der Versöhnungsmesse im November 1989 in Kreisau gilt sie als Schutzpatronin der deutsch-polnischen Versöhnung – eine Rolle, die ihr angesichts wieder aufbrechender Ost-West Konfrontationen hoffentlich auch künftig zukommt.
Die Vermittlung der Inhalte erfolgt über eine Vielzahl von Medienstationen: Die Fülle der Original-Exponate wird durch digitale Formate ergänzt. Zu jedem Modul gibt es sowohl eine Medienstation mit vertiefenden Informationen als auch eine Mitmachstation für alle Generationen, die zur Interaktion einlädt. Die Ausstellung folgt damit nicht nur einem didaktischen Konzept, sondern will das Museum zum Erlebnisort machen. Dabei schlägt sie eine Brücke zwischen Wissensvermittlung und politischer Bildung, auch mit Blick auf aktuelle Ereignisse. Es werden regelmäßig Führungen zu thematischen Schwerpunkten angeboten.
Fotos: Paul Meixner