„Ich war so glücklich und dankbar gegen mein Schicksal, das es mir vergönnte wieder mal in den Bergen zu sein“, notiert die 24jährige Elisabeth über den Morgen des 12. Dezembers. Mit Schreibmaschine hatte sie Ausschnitte aus Briefen und ihre täglichen Aufzeichnungen abgetippt und aus diesen Abschriften und einigen Schwarz-Weiß-Fotografien ein kleines Album zusammengestellt: Es erinnert an die Erlebnisse während ihres zwölftägigen Aufenthaltes auf der Richterbaude im Dezember 1931. Mit „den Bergen“ meinte Elisabeth also das Riesengebirge, jenen Teil der Sudeten, der durch seinen alpinen Charakter schneereiche Winter verspricht. Die Schneesicherheit machte das Riesengebirge seit dem 19. Jahrhundert zu einer beliebten Wintersportregion.
Schon 1815 wurde zwischen der Grenzbaude und Schmiedeberg eine erste Schlittenbahn eingerichtet. Der Erfolg war so groß, dass es bald weitere Abfahrten gab. Eine Besonderheit des Riesengebirges waren die sogenannten Hörnerschlitten. Diese dienten ursprünglich dem Heu- oder Holztransport, erfreuten sich aber zunehmend auch bei den Touristen großer Beliebtheit. Zwischen den nach oben gebogenen Kufen, den „Hörnern“, lenkte der Schlittenführer das Gefährt den Berg hinab; hinter ihm saß bequem der Fahrgast. Zum Ende des Jahrhunderts setzten sich allerdings mehr und mehr die Rodelschlitten durch. Und auch das Skifahren erleichterte bald nicht nur den Forstleuten ihre Arbeit, sondern avancierte zum beliebten Wintervergnügen. Zum Massensport entwickelte es sich jedoch erst nach dem Ersten Weltkrieg. Die zunehmende Nachfrage führte zu einem raschen Ausbau der winterlichen Infrastruktur: es wurden, neben Rodel- und Bobbahnen, Skipisten und bald auch erste Lifte gebaut.
Doch von derlei moderner Technik machten Elisabeth und ihre Kameraden keinen Gebrauch. Während ihres Aufenthalts im Riesengebirge erklommen sie die Berge noch mit eigener Muskelkraft, entweder mit den „Brettln“ unter den Füßen oder hinter sich herziehend. Wie kräftezehrend das zuweilen war, ist in ihrem Album nachzulesen: Vom Bahnhof Krummhübel kommend musste sich die Reisegruppe bei eisiger Kälte durch den hohen Schnee kämpfen, um zu ihrem Feriendomizil zu gelangen. „Nach einem kleinen Weilchen ging es nur noch in einer Steigung von 45°aufwärt. Es wurde um 5 Uhr dunkel. Spuren konnten wir nicht mehr erkennen. Wir setzten einen Fuss vor den anderen ohne Gefühl u. blieben oft stehen zum Luft holen“, schilderte Elisabeth in einem Brief an die Familie. Und weiter hieß es dort „Ich ging nur noch wie im Traum, sehen konnte ich nur den schwarzen Rücken meines Vordermannes. Meine Füsse wurden nicht wärmer. Ich fror sehr, ich wankte blos noch“. So mühsam war der Aufstieg, dass sich schließlich ein Teil der Gruppe dazu entschloss, auf der Wiesenbaude zu übernachten und erst am nächsten Tag den Weg zur Richterbaude fortzusetzen. Doch alle Mühen des Vortages waren am nächsten Morgen beim Anblick der Berglandschaft vergessen, wie der Eintrag vom 12. Dezember zeigt.
Von den Richterbauden ging es fast täglich, soweit es das Wetter erlaubte, mit den Skiern durchs Riesengebirge. Den Gästen boten sich zahlreiche Möglichkeiten zu längeren oder kürzeren Skitouren. Die Richterbauden, ebenso wie die Wiesenbaude und die Keilbaude waren im Besitz der Brüder Bönsch und warben damit ganzjährig geöffnet zu sein, Unterricht im Skilauf anzubieten und Ofen- und Zentralheizung zu besitzen. Doch neben dem Sport kam bei Elisabeth und ihren Mitstreitern auch das Vergnügen nicht zu kurz: Von Ausflügen nach Petzer, von Cafébesuchen und sogar vom Baden ist die Rede in ihren Aufzeichnungen.
Am 23. Dezember musste die Heimreise angetreten werden: Wenn auch der Abschied von der Baude nicht schwerfiel, „da wir ja heute den weiten Weg zum Bahnhof Krummhübel per Skier machen mussten. Wir hatten also eine herrliche Tour vor uns,“ wurde das Herz bei der Ankunft in Krummhübel und dem Blick zurück, auf die in der Abendsonne liegenden Berge doch schwer. Und so enden die Ausführungen mit der wehmütigen Frage: „[W]ann werde ich sie wiedersehen? Das ist mein einziger Wunsch! Der grösste und schönste!“
Handschriftliche Ergänzungen auf der letzten Seite zeigen, dass der Wunsch, die Berge wiederzusehen, noch mindestens dreimal in Erfüllung ging: in den Jahren 1934, 1935 und 1937.