Im 35. Jahr des Bestehens richtet der Hauptvorstand des Riesengebirgsvereins (RGV) den Appell an alle Ortsgruppen „darauf Bedacht haben zu wollen, daß die Zahl Ihrer Mitglieder sich nicht wesentlich mindere“ und „da, wo Gedanken sich bemerkbar machen, eine Ortsgruppe kurzer Hand aufzulösen, dem mit allem Ernst kräftig entgegenzutreten“. Das Erfolgsmodell Riesengebirgsverein in der Krise? Das Schreiben mag nur denjenigen wundern, der nicht auf das Datum schaut: Verfasst wurde es am 28. Dezember 1914, knapp fünf Monate nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges. „Der schwere Krieg der alles Sinnen und Denken des deutschen Volkes jetzt in Anspruch nimmt, macht selbstverständlich seine Wirkung auch geltend auf die Vereine und deren Tätigkeit. Auch unserem Riesengebirgsverein droht Gefahr und ist es unsere Pflicht rechtzeitig schützend einzugreifen“, heißt es dort gleich im ersten Absatz.
Die Sorge der Absender war, dass kriegsbedingt viele Vereinsmitglieder nicht in der Lage sein könnten, ihren Beitrag zu leisten und in der Konsequenz ihre Mitgliedschaft aufkündigen würden – eine nicht unberechtigte Sorge. In „Der Wanderer im Riesengebirge“, der seit 1881 bestehenden Vereinszeitung, wurde im Januar 1915 nämlich berichtet, dass „noch 49 Ortsgruppen mit ihrer Abrechnung rückständig“ seien, sich außerdem bereits eine Ortsgruppe aufgelöst habe. Um weitere Verluste an Mitgliedern und Ortsgruppen zu verhindern, hatte der Vorstand deshalb beschlossen, einen entsprechenden Rundbrief an alle Ortsgruppen und Mitglieder zu richten, um weitere Gruppenauflösungen zu verhindern. Dazu machte er sodann auch gleich konkrete Vorschläge wie etwa die Stundung oder Herabsetzung der Mitgliedsbeiträge. Um diese möglichen finanziellen Einbußen zu verkraften, sollte möglichst sparsam gewirtschaftet werden.
Dass die Hauptsorge am Jahresende vorrangig dem Leben und Überleben des Vereins und seiner Mitglieder gelten würde, war wenige Monate zuvor kaum denkbar gewesen, hatte der Verein doch mit der Eröffnung des neugebauten Riesengebirgsmuseums am 14. April gerade ein großes Projekt erfolgreich beenden können. Der Museumsbau war dabei nur ein weiteres Glied in der Kette von Erfolgen des 1880 nach dem Vorbild des Alpenvereins von Theodor Donat ins Leben gerufenen Riesengebirgsvereins. Die Idee der Gründerväter war, das Riesengebirge besser zu erschließen und damit auch mehr Besucher in die Berge zu locken. Dies sollte durch den Ausbau des Wegenetzes, den Bau von Schutzhütten und Aussichtspunkten und die Vermittlung von Wissen über das Gebirge und die Natur geschehen.
Die Idee Donats traf schnell auf Zustimmung, schon fünf Jahre nach Gründung gab es rund 4000 Mitglieder, in 40 Ortsgruppen. Im Jahr 1905 feierte man das 25-jährige Bestehen ausgelassen mit einem dreitägigen Fest in Hirschberg. Zu den Erfolgen des Vereins zählte nicht nur die wachsende Zahl der Mitglieder und die seit 1881 erscheinende Vereinszeitung, sondern vor allem die Verbesserung der Infrastruktur: neue Wege waren entstanden, Jugendherbergen eröffnet und verschiedene Gedenktafeln angebracht worden. Der Verein war weit mehr als ein Zusammenschluss von Wanderfreunden, er hatte mit seiner Arbeit einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung des Fremdenverkehrs im Riesengebirge und damit der ganzen Region geleistet. Die Vorstandmitglieder sahen sich deshalb in der Pflicht, die für die ansässige Bevölkerung wichtigen Funktionen so gut wie möglich aufrecht zu erhalten.
Nachdem die Verantwortlichen im ersten Aufruf 1914 die fristgerechte Zahlung als sekundär zu betrachten schienen, folgte zwei Jahre später in der Vereinszeitschrift doch ein „ernstes Wort an unsere Mitglieder“ da die ausbleibenden Mitgliedszahlungen den Verein in Schwierigkeiten zu bringen drohten. Doch letztlich hat er die Krisenzeit gut überstanden und erlebte wenige Jahre später mit rund 17.000 Mitglieder und fast 100 Ortsgruppen seine Hochzeit.