Das Jahr 1945 war eine schwierige Zeit sowohl für die alten als auch für die neuen Einwohner von Grünberg. Die deutschen Eigentümer von Häusern, Läden, Betrieben, Firmen oder Fabriken mussten ihren ständigen Wohnsitz und ihre Heimatstadt für immer verlassen. Nach Grünberg, das seit 6.6.1945 auf Polnisch Zielona Góra hieß, kamen neue Siedler, die vor Ort eine ihnen bis dato unbekannte Kulturlandschaft vorfanden. Sie begannen das ehemals deutsche Erbe zu übernehmen, das ihnen fremd und sogar feindlich vorkam und richteten es neu ein. Vor dem Krieg war die „Fabrik für Brückenbau und Eisenkonstruktionen Beuchelt u. Co. Grünberg in Schlesien“ einer der größten Betriebe in Grünberg. Inhaber der Fabrik war Georg Beuchelt, die Firma gab vielen Grünbergern Arbeit und ihre Produkte waren nicht nur in Deutschland sondern auch weltweit bekannt.
Als im Februar 1945 die sowjetischen Soldaten in die Stadt eingerückt waren, zerstörten sie den größten Teil des Betriebs und transportierten den noch funktionsfähigen Maschinenpark ins Innere der Sowjetunion ab. Nach der Übernahme der Grünberger Verwaltung durch die polnischen Behörden im Juni 1945, erhielt die ehemalige Fabrik von Beuchelt den Namen „Zaodrzańskie Zakłady Budowy Mostów i Wagonów WAGMO” und wurde ein staatlicher Betrieb.
Am 1. Oktober 1945 begann die erste Mannschaft polnischer Arbeiter das Gelände der zerstörten Fabrik aufzuräumen. Vorrang hatten die Probleme mit der Inbetriebnahme des Werkes, das Aufräumen der Hallen und ihre Herrichtung für die Produktion sowie die Beschaffung von Maschinen und Werkstoffen. Das Gesicht der Fabrik ließ viel zu wünschen übrig, was auf den Fotos des Betriebs aus den ersten Tagen nach dem Krieg gut zu sehen ist. Verwüstete Hallen, zerstörte Gebäude und verwahrloste Maschinen machten den Eindruck, dass der Betrieb nie mehr zum Leben erweckt werden würde. Diesen Eindruck bestätigen auch die Worte des ersten Fabrikdirektors Kazimierz Szwabowicz: „Der Zustand des Betriebs war erschreckend. Alle Anlagen waren zerstört, die Hallen blieben zwar erhalten, aber mit eingeschlagenen Fenstern. Das Regenwasser überflutete das Innere. Unsere Arbeit begannen wir mit Aufräumen. Alles wurde von Hand und nur bei Tageslicht gemacht. Auf dem Fabrikgelände gab es keine Stromquelle, so war die Inbetriebnahme eines Transformators unser größter Erfolg“. Ein anderer Zeitzeuge, Hieronim Rutkowski, berichtet über seine ersten Arbeitstage in der Zastal-Fabrik: „1945 gab es in Zastal natürlich keine Produktion, sondern nur Aufräumarbeiten. Die Fabrik war eine erschreckende Ruine – alle Hallen waren geplündert, die Wände zerstört, die Fenster ausgeschlagen worden. Unser erster Eindruck von dieser Fabrik, was uns aufgefallen ist, waren die herausragenden Rümpfe der U-Boote. Ganze Haufen dieses Alteisens lagen in den Hallen herum, da sie wohl zu schwer zum Rauben waren. Der allgemeine Eindruck war bedrückend.” Den polnischen Arbeitern halfen die in Grünberg verbliebenen deutschen Fachleute und die Autochthonen bei der Inbetriebnahme der Fabrik, da sie am besten die Spezifik des Werkes kannten. Zbigniew Galbierczyk, der im Oktober 1945 seine Arbeit aufgenommen hatte, konnte sich an die ersten Tage erinnern: „Ich wanderte durch die großen, leeren und zerstörten Hallen. Die Deutschen ließen noch etwas Ausrüstung zurück, so zum Beispiel Tische mit Maschinengewehren und Teilstücke von U-Boot-Rümpfen, die hier vor Kriegsende hergestellt worden waren. Am Anfang arbeiteten einige Deutsche zusammen mit uns, aber ich hatte keinen Kontakt mit ihnen. Es gab auch einen Elektromeister, einen Autochthonen, mit dem ich arbeitete. Er hieß Kmieć und war in der Fabrik noch zu Beuchelts Zeiten beschäftigt gewesen. Wir hielten ihn für den ersten Fachmann, schätzten ihn sehr hoch, da er alles über das Werk wusste.
Es dauerte über ein Jahr bis die Fabrik entrümpelt und in Betrieb gesetzt werden konnte. 1948 wurde der Name des Werkes von WAGMO auf ZASTAL umgeändert und lautete seitdem „Zaodrzańskie Zakłady Przemysłu Metalowego ZASTAL w Zielonej Górze”. Der Betrieb wurde einer der bedeutendsten polnischen Hersteller von Schienenfahrzeugen, insbesondere von Güterwagen, Stahlkonstruktionen und Diesellokomotiven.
Dieser Blogbeitrag ist ein Gastbeitrag aus dem Museum des Lebuser Landes in Grünberg (Muzeum Ziemi Lubuskiej). Das Bildmaterial entstammt der Sammlung des Museums. Mehr zum Museum und seinen Ausstellungen unter: https://mzl.zgora.pl/
Autor: Dr. Izabela Korniluk