KÄTHE KRUSE
ihr Leben und ihre Puppen
7. Februar 2010 bis 9. Mai 2010
Käthe Kruse hat in der Puppe nie das Handelsobjekt oder Sammlerobjekt gesehen, den Gegenstand, den man kaufen und verschenken kann. Vor ihren Augen stand immer das Kind, das mit der Puppe spielt, der kleine Mensch, der durch das Spiel in das lebendige Leben hineinwächst. Sie wollte schlicht den Reiz eines Wesens, das liebevolle Gefühle erweckt, wieder geben. So können Käthe Kruse Puppen an dem mit Stoff überzogenem Kopf, kindlichen und ernstem Gesichtsausdruck und der damit erreichten Natürlichkeit erkannt werden. Diese Puppen, denen das Museum für schlesische Landeskunde in Königswinter eine Ausstellung im Frühjahr 2010 widmet, entstanden ab 1910 und bestechen heute genauso wie vor fast einhundert Jahren.
Von Breslau nach Ascona
Katharina Simon, wie Käthe Kruse mit Mädchennamen hieß, wurde am 17.09.1883 in Breslau geboren und hatte nach ihren eigenen Worten keine schöne Jugend. In einer kleinen Wohnung erlebte sie die Armut, ein bescheidenes Dasein im „kleine-Leute-Millieu“. Ihre Mutter verdiente den Lebensunterhalt für sich und ihr uneheliches Kind durch Nähen in einer kleinen Breslauer Wohnstube.
Schon früh zeigte sie großes Talent und Interesse für Literatur, Kunst und Theater. Sie wollte Schauspielerin werden, ein seit Jahren geprägter Entschluss, der durch Besuche im Breslauer Lobe-Theater gefestigt wurde. Nach dreieinhalb Jahren Schauspielunterricht am Breslauer Stadttheater erhielt sie einen Vertrag im Lessing-Theater in Berlin mit einer beachtlichen Monatsgage. Mit 17 Jahren begann so ihre Karriere als fest engagierte Schauspielerin anspruchsvoller Rollen, unter anderem mit Gastspielen in Warschau und Moskau.
Die vielversprechende Schauspielkarriere endete mit der innigen Verbindung zu Max Kruse, Bildhauer, Erfinder und Bühnenbildner. Aus dieser Beziehung und der erst 1909 geschlossenen Ehe gingen sieben Kinder hervor. Kurz vor der Geburt des zweiten Kindes Sofie („Fifi“) – Maria („Mimerle“) wurde bereits im Dezember 1902 geboren – hielt es Vater Kruse für richtiger, seine Kinder nicht in der Großstadt Berlin aufwachsen zu lassen; das Domizil war für die 20-jährige Mutter Ascona im Tessin, während Max Kruse sein Atelier in Berlin behielt.
Puppenmacherin
Immer dann, wenn die Mutter „Fifi“ liebevoll betreute, schaute „Mimerle“ tief beeindruckt zu und verlangte schließlich: „Ich möchte auch so ein Kind haben wie Du“. Vater Kruse in Berlin weigerte sich, diesem Puppenwunsch mit einer „scheußlichen“ kalten, zerbrechlichen Biskuit-Porzellan-Puppen zu erfüllen. Die erste Puppe, die aus diesem kindlichen Bedürfnis 1905 hergestellte wurde, bestand aus einem zusammen geknoteten Handtuch als Körper, gefüllt mit Sand und einer in die Längsseite des Handtuchs gebundenen Kartoffel als Kopf; Augen, Mund und Nasenlöcher wurden durch abgebrannte Streichhölzer markiert. Haltbar war diese Puppe nicht.
Trotz der im Jahre 1909 geborenen dritten Tochter „Hannerle“ (Hanna, sie war bis 1990 Firmeninhaberin) arbeitete Käthe Kruse an der Verbesserung der Puppen. Der Kopf war zum wichtigen Detail geworden. Sie erwog Möglichkeiten, diesen ebenso spielfreundlich wie liebenswert zu gestalten. 1910 stieß sie dann auf den nach einer Künstlergruppe benannten Fiamingokopf. Diesen Gipsabdruck überzog sie mit Stoff, goss die Stoffhülle mit Wachs aus und bemalte den Kopf liebevoll. Die Gesichtsmaske ist relativ fest beschaffen, aber nicht hart. An die Gesichtsmaske sind der Stoffhinterkopf und der Stoffhals angenäht. Der Hinterkopf fühlt sich weich an, obwohl er fest gestopft ist.
Der Körper der ersten Puppe besteht bis 1930 aus 8 Stoffteilen und ist wie die Glieder fest gestopft mit Rentier-, Reh- oder Rosshaar. Die Beine sind mit Scheibengelenken befestigt und haben 5 Nähte, rundlich aufmodellierten Knie, extra angenähte Füße, einzeln abgesteppte Zehen und eine kleine Pappplatte an der Fußunterseite, um das Stehvermögen der kleinen Gestalten zu verbessern.
Die Hände sind, ähnlich wie die Zahl der Körpernähte und die Hüftbreite, ein Kriterium für die Altersbestimmung der Puppe. Die ersten Puppen (-1912) hatten noch die „Froschhand“. Finger und Daumen sind nahe beieinander, zwar einzeln abgesteppt, aber ohne Zwischenräume, bis 1930 hat die Puppe den extra angenähten Daumen, später dann den fest angeschnittenen Daumen; die Hand ist aus einem Stück gearbeitet. Seit dieser Zeit ist auch der Körperschnitt vereinfacht, die Puppe leichter und schmaler geworden.
Diese ersten Puppen beeindruckten so durch ihre Natürlichkeit, dass Käthe Kruse 1910 vom Warenhaus Tietz, Berlin, die Einladung erhielt, sich an einer Ausstellung „Spielzeug aus eigener Hand“ zu beteiligen. Sie machte Puppen, ihr Mann unterstütze bei der Modellierung des Gesichtes und nach unendlich vielen arbeitsreichen Stunden waren die Puppen Ausstellungsreif Im Spätherbst 1911 erhielt Käthe Kruse aus Amerika den ersten großen kurzfristigen Auftrag zur Lieferung von 150 Puppen. Sie verwandelte ihre Berliner Wohnung in eine Werkstätte, beschäftigte Heimarbeiter und Maler. Sie schnitten zu, nähten, stopften, malten Gesichter und Haare. Zum Weihnachtsfest 1911 wurden viele Kinder in der Neuen Welt mit einer Käthe-Kruse-Puppe beglückt. Großaufträge folgten und man gründete 1912 in Bad Kösen (Sachsen-Anhalt) die Puppenwerkstatt.
Der 1915 geschaffene „kleine Soldat'“ war ein wichtiger Abschnitt in der Geschichte der Käthe-Kruse-Puppen. Für diese Puppe erfand und entwickelte Käthe Kruse (Patent 1914) ein Drahtskelett, das es ermöglichte, Arme, Beine und Körper der Puppe in natürliche, menschenähnliche Haltungen zu bringen. Dieses Skelett im Körperinneren fand 1922 auch Verwendung bei einem neuen Puppentyp, dem „Schlenkerchen“. Der 1921 geborene Max Kruse war Vorbild und Inspiration für das „Träumerchen“, ebenfalls mit Drahtskelett, ein 5 bis 6 Pfund schweres Baby, das ein natürliches Gefühl von Körperlichkeit vermittelt, ein kleiner Dauerschläfer, mit dem typischen „Krusemund“, das Köpfchen locker angenäht (es fällt sofort zur Seite, wenn man es nicht stützt), schutz- und haltebedürftig.
Ab 1945 bis heute
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde in Donauwörth mit dem Aufbau einer neuen Puppenwerkstätte begonnen, da Bad Kösen in der sowjetischen Besatzungszone lag und enteignet wurde. Als Käthe Kruse am 19.07.1968 starb, leitete ihre Tochter Hanne Adler-Kruse gemeinsam mit ihrem Ehemann Heinz Adler die Herstellung. 1990 übergab Hanne Adler-Kruse die Käthe-Kruse-Werke an die heutigen Firmeneigentümer Andrea Kathrin und Stephen Christenson und der Familie des Fürsten zu Castell-Castell. Dort werden heute noch ganz im Sinne der legendären Schöpferin Käthe-Kruse-Puppen geschaffen.
Das Museum für schlesische Landeskunde zeigt vom 7. Februar 2010 bis zum 9. Mai 2010 in szenischen Konstellationen Käthe Kruse Puppen aus allen Herstellungsphasen. Auf technische Entwicklungen und typische Merkmale der Puppen wird in der Ausstellung ebenso eingegangen wie auf die Biographie der „Puppenmutter“. Begleitend werden zur Ausstellung öffentliche Führungen und Termine beim Puppendoktor angeboten. Unter der Telefonnummer 02244-883 231 können die Termine angefragt werden.
Alexandra Offermann M.A. mit Auszügen aus: Helga Nicodemus: Käthe Kruse – Ihr Leben und ihre Puppen.