„…DIE MUTTER ALLER ANDERN SCHLESISCHEN LAND=CHARTEN“
Sonderausstellung zum 450. Jubiläum der Schlesienkarte von Martin Helwig (1516-1574)
15. Mai bis zum 18. September 2011 im HAUS SCHLESIEN
Katalog zur Ausstellung
„… die Mutter aller andern Schlesischen Land-Cahrten“ Martin Helwigs Schlesienkarte 1561
139 Seiten,
15 Euro, Versand 2,50 Euro
Bestelladresse: Haus Schlesien
Deutsches Kultur- und Bildungszentrum e.V.
Dollendorfer Straße 412
53639 Königswinter
Telefon 02244 / 886 232
eMail museum@www.hausschlesien.de
Am 14. September 2011 jährt sich zum vierhundertfünfzigsten Mal die Erstausgabe der Schlesienkarte des aus Neisse stammenden Martin Helwig. Über ein Jahrhundert war dieses handwerklich und ästhetisch herausragende Kartenwerk die Vorlage für alle nachfolgenden schlesischen Landkarten, so dass sie zu Recht als „die Mutter aller andern Schlesischen Land=Charten“ (Christian Runge, 1738) bezeichnet wird. Aus diesem Anlass widmet HAUS SCHLESIEN dieser für die schlesische Kartographiegeschichte bedeutenden Karte und ihrem Schöpfer eine große Sonderausstellung.
Mit Beginn des 16. Jahrhunderts gelangte humanistisches Gedankengut nach Schlesien und erfasste nicht nur die gebildeten Schichten der Hauptstadt Breslau, sondern auch die der kleinen Residenzstädte. So rühmte Philipp Melanchthon, er kenne keinen Stamm in Deutschland, der mehr gelehrte Männer der Wissenschaft aufzuweisen habe als die Schlesier. Die Literatur dieser Zeit, die vermehrt nicht nur in der Wissenschaftssprache Latein, sondern auch in Deutsch geschrieben wurde, ist geprägt durch patriotische Historiographien und poetische Landeskunde. Nach 1500 stellten Buchdrucker in Breslau und Neisse günstig Bücher her, so dass das nützliche Wissen in Form von Chroniken, Kosmographien und Landkarten auch in den bürgerlichen Schichten Verbreitung fand.
Über die Jugendzeit des am 5. November 1516 in Neisse geborenen Martin Helwig ist wenig bekannt. Ab 1526 soll er Schüler der Lateinschule Valentin Trotzendorfs in Goldberg gewesen sein, später hat er sich vermutlich an der Universität in Krakau eingeschrieben; dafür lassen sich allerdings genauso wenig exakte Belege finden wie für sein Studium bei Martin Luther und Philipp Melanchton in Wittenberg, das er mit dem Magister abgeschlossen haben soll.
Ab 1544 war Helwig als Lehrer an der Schule in Schweidnitz tätig, bevor er 1552 aus Glaubensgründen an die Breslauer Lateinschule Maria Magdalena wechselte, die er von 1560 bis zu seinem Tod 1574 leitete. Zum Unterhalt seiner zehnköpfigen Familie schrieb er außerdem mancherlei Gelegenheitsgedichte und Horoskope sowie kleinere Schriften. Zu den Pflichten eines mathematisch gebildeten Humanisten wie Helwig gehörte es, Kalender und Vorhersagen zu erstellen.
Mit den Vorbereitungen für seine Schlesienkarte begann Martin Helwig 1559; drei Jahre benötigte er für die Bereisung Schlesiens und die messtechnischen Beobachtungen und Berechnungen. Ohne die finanzielle Förderung durch den Breslauer Ratsherrn Nikolaus Rehdinger (eigentlich: Rhediger) hätte er dieses zeitraubende und kostspielige Vorhaben nicht beenden können. Der Kartenentwurf wurde von dem Breslauer H. Kron in Holz geschnitten und 1561 schließlich bei dem Buchdrucker Johannes Creutziger in Neisse gedruckt. Der Holzschnitt wurde mit solch hoher Fertigkeit ausgeführt, dass er an die Qualität eines Kupferstichs heranreicht.
Helwig hat seine Karte bewusst nach Süden orientiert, die Oder fließt somit von oben nach unten. In der unteren rechten Kartenecke ist ein Längenmaßstab von 20 „gemeinen Landmeilen“ eingezeichnet, was einem Verhältnis von etwa 1:546 000 entspricht. Insgesamt erschienen bis 1889 elf Auflagen der Karte und über mehr als ein Jahrhundert bildete sie die Grundlage für alle weiteren kartographischen Darstellungen von Schlesien.
Neben der Schlesien-Karte schuf Helwig im selben Jahr für Schulzwecke eine Karte vom alten Italien. Es folgte 1564 seine Schrift „Erklerung Der Schlesischen Mappen, Wozu, und wie dieselbe nützlich zu gebrauchen: Sampt einem vollkommen Register, dadurch jede Stadt, Schloß und Kloster, ohne Mühe zu finden“ mit knappen Erläuterungen zur Kartenbenutzung und einer umfangreichen Liste aller schlesischen Ortschaften. Das Manuskript einer 1571 in Latein verfassten Landesbeschreibung „Descriptio Silesiae“ ist verschollen.
Die Ausstellung im HAUS SCHLESIEN ist vom 15. Mai bis zum 18. September zu sehen und wird von dem ausgewiesenen Kenner der schlesischen Kartographie, Manfred Spata aus Bonn, kuratiert. Neben verschiedenen Ausgaben der Schlesienkarte Helwigs selbst werden in der Ausstellung auch einige der später entstandenen schlesischen Landkarten gezeigt, denen sie als Vorbild diente. Um den Besuchern die Bedeutung der Helwig-Karte für die schlesische Geschichte und Kultur zu vermitteln und die damals herrschenden technischen Möglichkeiten und Kenntnisse deutlich zu machen, wird auch das Umfeld Martin Helwigs dargestellt.
Neben der Sammlung des Kurators und den Beständen von HAUS SCHLESIEN werden weitere Leihgaben präsentiert. Als Höhepunkt der Ausstellung kann die Erstausgabe von 1561 angesehen werden, deren einziges erhaltenes Exemplar sich in der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe befindet und von ihr freundlicherweise für die Ausstellung zur Verfügung gestellt wird.
Im Anschluss soll die Ausstellung, zu der ein zweisprachiger Katalog erscheinen wird, an weiteren Orten im In- und Ausland gezeigt werden.
Manfred Spata/Silke Findeisen