SOMMERTRÄUME
Reiseimpressionen schlesischer Künstler
28. April 2019 bis 20. Oktober 2019
Gerda Stryi (1905 – 1992)
Am Kai in Ibiza
Pastell
1955
Ferdinand Fritz Wendelin Just (1919-2010)
„Am Königssee“
Aquarell
1948
Łukasz Morawski (*1964)
„Mimizan-Plage“
Öl auf Leinwand
1993
Ravenna, Ibiza, Ägypten oder doch das etwas näher gelegen Sylt, die Alpen und der Bodensee – Sommer, Sonne, Meer und Berge. Fast jeder verspürt diesen Wunsch nach einem Ausbruch aus dem Alltag, einer Reise in ferne Länder und faszinierende Landschaften, nach Ruhe und Natur. Wer selbst nicht reisen kann oder will, dem sei ein Besuch in der Ausstellung „Sommerträume“ im Eichendorffsaal empfohlen. Hier sind bereits andere – nämlich Künstler – auf Reisen gegangen und haben ihre Eindrücke und Erlebnisse auf Papier oder Leinwand festgehalten. Damit bieten sie dem Besucher die Möglichkeit ferne Orte zu erkunden, ohne die heimischen Gefilde verlassen zu müssen. Die Ausstellung zeigt ein buntes Potpourri unterschiedlicher Maltechniken und Landschaftsmotiven von insgesamt sechs schlesischen Künstlern, die auf Reisen Inspirationen für Ihr Schaffen gesucht haben. Sie haben Landschaften und Lichtverhältnisse, Farben und Stimmungen studiert und diese mit Farbe und Pinsel eingefangen.
Einer dieser Maler ist der in Liegnitz geborene Wolf Röhricht (1886 – 1953), der bereits während seines Jurastudiums nicht nur in München die Malschule besuchte, sondern bereits eine Studienreise nach Frankreich unternahm, bei der erste Landschaftsaquarelle entstanden. In den späten 1920er und frühen 1930er Jahren folgten weitere Reisen nach Frankreich, Italien, Ägypten und Tunesien, nach Österreich und die Schweiz, nach Norwegen, Schweden, Riga und Prag. Während dieser Aufenthalte in Europa und Nordafrika entstanden Aquarelle und Ölbilder mit südlichen Dörfern, majestätischen Berggipfeln, palmengesäumten Uferpromenaden oder Häfen, doch nur ein Teil von ihnen ist erhalten geblieben. Die in der Ausstellung gezeigten farbkräftigen Ölbilder entstanden nach dem Zweiten Weltkrieg und spiegeln die Vielfalt seiner Motive wider.
Reisefreudig war auch der ein Jahr später geborene Artur Wasner (1887 – 1939), dessen Reisen ihn im Anschluss an sein Studium in die Niederlande, nach Italien und Spanien führten. In den 1920er Jahren plante er sogar eine Weltumseglung, die jedoch aufgrund technischer Probleme und der Inflation bereits in Skandinavien endete. Zur Malerei war Wasner erst auf Umwegen gekommen, hatte er doch zunächst wie sein Vater den Beruf des Bergmanns erlernt. Als er bei einer Grubenexplosion fast vollständig sein Gehör verloren hatte, musste er die Ausbildung abbrechen. Eine Tante finanzierte ihm die Ausbildung an der Königlichen Kunst- und Gewerbeschule in Breslau. Im Jahr 1914 gründete er eine Malschule in Breslau. Reiselustig blieb Wasner bis zu seinem frühen Tod – mit einem Wohnwagen, seinem „mobilen Atelier“, reiste er durch ganz Europa. Das in der Ausstellung präsentierte Bild ist jedoch im Riesengebirge entstanden, ganz in der Nähe seines Lebensmittelpunktes Breslau.
Die in Kattowitz geborene Malerin Gerda Stryi (1905 – 1992) fand die Inspiration zu ihren farbkräftigen Landschaftsbildern in der mediterranen Bildwelt. Sie bewarb sich bereits im Alter von 16 Jahren mit Erfolg an der „Staatlichen Akademie für Kunst und Gewerbe“ in Breslau. In den 1920er Jahren reiste sie mit ihrem Mann und Künstlerkollegen Erich Leitgeb (1886 – 1950) nach Frankreich, Italien und Skandinavien. Ein Ausstellungsverbot ab 1935, die Vertreibung aus Schlesien und schließlich der frühe Tod ihres Mannes stellten tiefe Einschnitte in ihrem künstlerischen Schaffen dar. Sobald es ihr jedoch möglich war, knüpfte sie an die Reiseerfahrungen ihrer frühen Jahre an und ließ sich vom Licht und den Farben der mediterranen Inselwelt, insbesondere Ibizas inspirieren, wo auch die in der Ausstellung präsentierten Bilder entstanden.
Einer ihrer Freunde und Förderer war der Künstler Ferdinand Just (1918 – 2010), der seit Anfang der 1950er Jahre in Bonn eine Galerie betrieb, in der er neben seinen eigenen Kunstwerken auch anderen Künstlern ein Forum bot –darunter auch Gerda Stryi. Das Frühwerk Justs umfasste eine große Zahl an Landschaftsaquarellen, das Gros stammt jedoch aus der zweiten Hälfte der 1940er Jahre, da nur wenige Bilder aus den Vorkriegs- und Kriegsjahren gerettet werden konnten. Küstenlandschaften sind auch bei ihm ein häufiges Motiv, doch zeigen sie nicht palmengesäumte Mittelmeerstrände, sondern Dünen- und Marschlandschaften Schleswig-Holsteins, wo Just die unmittelbaren Nachkriegsjahre verbrachte. Von dort führten ihn mehrere Reisen in die faszinierende Bergwelt der Alpen, wo er ebenfalls mit Farbe und Pinsel seine Eindrücke festhielt. Ab Mitte der 1950er Jahre verschrieb sich Just der abstrakten Malerei und experimentierte mit dem Material Aluminium und dem Freiformguss.
Im Werk des Theatermalers Hans-Peter Koch (1930 – 1991) gehören reine Landschaftsbilder zu den Raritäten. In Breslau geboren und aufgewachsen, konnte er dort gerade noch seinen Schulabschluss machen, bevor er 1945 mit der Familie auf die Flucht ging. In Göttingen absolvierte er eine Ausbildung zum Theatermaler und gelangte nach Stationen in Kassel und Dortmund 1966 nach Bonn. Koch stellte in seinen Bildern zumeist den Menschen bzw. das Zwischenmenschliche in den Mittelpunkt und hatte dabei eine besondere Vorliebe für die Satire und Karikatur entwickelt. Sein Strandbild mit dem Titel „Wunschtraum“ ist für die Ausstellung natürlich geradezu prädestiniert.
Der jüngste der sechs Künstler ist der in Zabrze geborene Maler Łukasz Morawski (*1964). Er studierte an der Akademie der Künste in Breslau, wo er bis heute als Dozent lehrt. Als Vorlage für seine großflächigen Landschaftsdarstellungen dient Morawski die freie Natur, wobei er nicht den Anspruch ihrer realen Abbildung erhebt, sondern vielmehr die vorgefundene Landschaft interpretiert. Reisen nach Österreich und in die Slowakei sowie mehrfache Aufenthalte in Griechenland und Frankreich waren Inspiration für diverse Gemäldezyklen. Das in der Ausstellung gezeigte Ölbild gehört zu einer Reihe von Strandbildern, die in der Bretagne entstanden sind.
Alle in der Ausstellung gezeigten Bilder entstammen der Sammlung von HAUS SCHLESIEN und geben damit nicht nur die Vielfalt der Maltechniken und Motive wieder, die die Künstler gewählt haben, um ihre Reiseeindrücke malerisch umzusetzen, sondern auch einen Einblick in die vielfältige Gemäldesammlung des Hauses. Und nicht zuletzt inspirieren sie den Besucher zu „Sommerträumen“, denen Sommerreisen mit und ohne Farbpalette und Pinsel folgen mögen.