Am 8. Oktober 1938 besetzte die deutsche Armee das Hultschiner Ländchen. Begeistert begrüßten die Anwohner zunächst die Wehrmacht, denn sie erhofften sich die Rückkehr zu einstigen Verhältnissen und damit die Verbesserung der Wirtschaftslage. Das Hultschiner Ländchen hat in Bezug auf die Geschichte der Tschechischen Republik eine besondere Vergangenheit. Die nicht allzu große Region wurde erst 1920 Bestandteil der zwei Jahre zuvor gegründeten Tschechoslowakei und ihre Bewohner betrachteten sich bis auf einige Ausnahmen nicht als Tschechen.
Nach dem Münchner Abkommen gelangte die Region 1938 wieder zu Deutschland. Um die fast zwei Jahrzehnte zuvor unterbrochene Kontinuität aufzugreifen, wurde das Hultschiner Ländchen Bestandteil seines ursprünglichen Kreises – des Kreises Ratibor – also nicht dem Sudetengau sondern der Schlesischen Provinz zugeteilt. Alle Bewohner bekamen automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft, die sie zwar aufgrund der internationalen Vereinbarung hätten ablehnen können, doch hätten sie in der Folge ins tschechoslowakische Binnenland umsiedeln müssen, was aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten ungünstig gewesen wäre. Das Hultschiner Ländchen verließen deshalb nur Repräsentanten der Staatsverwaltung und einige patriotisch gesinnte Einzelpersonen. Als Reichsdeutsche galten für die Bewohner des Hultschiner Ländchens somit alle Rechte und Pflichten. Dazu gehörte auch der Militärdienst bei der deutschen Wehrmacht, der nach und nach immer weniger willkommen war.
Am schlimmsten betrafen die geopolitischen Veränderungen die Männer der Jahrgänge 1914-1918, die bis zum Herbst 1938 den Militärdienst in der tschechoslowakischen Armee ausübten und bald nach der Zwangsdemobilisierung dann die Uniform der deutschen Wehrmacht tragen mussten. Zu ihnen gehörte auch Vilém Poštulka (1914–1943) – auf dem Bild unten links – der ab 1936 in der tschechoslowakischen Armee diente, wo er den Dienstgrad eines Unteroffiziers erreichte. Die deutsche Wehrmacht übernahm ihn mit dem bisher erreichten Dienstgrad und Vilém Poštulka stieg im Rang weiter auf. Er starb am 5. August 1943 an den Folgen einer schweren Verletzung, die er an der Ostfront erlitt.
Gleich nach dem Anschluss des Hultschiner Ländchens an Deutschland begannen die Nationalsozialisten die örtlichen tschechoslowakischen Vertrauenspersonen zu verfolgen. Es kam zu massiven körperlichen Übergriffen, öffentlichen Gewalttaten und zu ersten Verhaftungen. Viele Mitarbeiter der tschechoslowakischen Geheimpolizei und einige tschechisch orientierte Hultschiner Bürger gerieten in die Fänge der Gestapo. Zu ihnen gehörte auch Efrem Sládek (1902-?) – auf dem Bild unten rechts – der bereits am 14. Oktober 1938 verhaftet und nach Sachsenhausen deportiert wurde. Ihm wurde vorgeworfen in den Dreißigerjahren als Geheimagent für die Tschechoslowakei tätig gewesen zu sein. Auch er entging letztendlich nicht dem Militärdienst, denn kurz vor Kriegsende wurde er aus dem Konzentrationslager zum Strafbataillon verlegt.
Dieser Blogbeitrag ist ein Gastbeitrag aus dem Museum des Hultschiner Ländchens (Muzeum Hlučínska). Das Bildmaterial entstammt der Sammlung des Museums. Mehr zum Museum und seinen Ausstellungen unter: https://www.muzeum-hlucinska.cz/
Autor: Jiří Neminář