Über den Blog
Die Geschichten hinter den Objekten. Schlesische Lebensschicksale zwischen Kaiserreich und Volksrepublik
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat Schlesien eine wechselvolle Geschichte durchlebt. Die Jahrzehnte zwischen dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, als Schlesien eine Provinz im deutschen Kaiserreich war, und dem Anfang der 1950er Jahre, als weite Teile Schlesiens de facto zur Volksrepublik Polen gehörten, waren voller Konflikte, Umbrüche und Grenzverschiebungen.
Sind die Schlesier 1914 noch wie die meisten Deutschen euphorisch für den Kaiser in den Krieg gezogen, kippte auch hier spätestens im Hungerwinter 1917 die Stimmung, es gab Streiks und Proteste. Das herbeigesehnte Kriegsende brachte nicht nur den Polen wieder einen eigenen Staat und den Deutschen eine neue Staatsform, sondern Letzteren auch einen als demütigend empfundenen Friedensvertrag. Auf die unruhigen Jahre mit Aufständen und Streiks, der Teilung Oberschlesiens und der Hyperinflation folgten die „Goldenen Zwanziger“, die jedoch durch die Weltwirtschaftskrise 1929 ein jähes Ende fanden. Der rasche Aufstieg der NSDAP mündete 1933 in die Machtergreifung der Nationalsozialisten und die Etablierung einer menschenverachtenden Diktatur. Mit dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in Polen am 1. September 1939 begann der Zweite Weltkrieg, ein beispielloser Vernichtungskrieg, der in sechs Jahren mehr als 60 Millionen Menschen das Leben kostete. Bis Mitte des Jahres 1944 wurde Schlesien von den unmittelbaren Kriegshandlungen weitgehend verschont. Als die Rote Armee in den letzten Kriegsmonaten binnen kurzer Zeit bis zur Oder vorrückte, wurde Schlesien Kampfgebiet und Hundertausende begaben sich auf die Flucht. Nach Kriegsende wurde die Region unter polnische Verwaltung gestellt und der größte Teil der deutschen Bevölkerung vertrieben. An ihrer Stelle kamen Polen in diese für sie völlig fremde Region.
Der Blog will keinen chronologischen Abriss der schlesischen Geschichte geben, nicht die große Politik erklären, er möchte vielmehr exemplarisch individuelle Schicksale und Einzelereignisse aufgreifen, von diesen berichten und sie in den historischen Kontext setzen. Anhand von Exponaten und Archivalien aus den Sammlungen von HAUS SCHLESIEN und einigen ausländischen Partnermuseen soll über das Alltags- und Familienleben, über Kultur, Wirtschaft und Politik, über Freuden und Leiden der Menschen in Schlesien in der Zeit zwischen Kaiserreich und Volksrepublik erzählt werden. Damit sollen die Geschichten hinter den Objekten sichtbar gemacht und die stummen Zeitzeugen zum Sprechen gebracht werden.
Der Blog möchte die Gelegenheit bieten, über individuelle, persönliche Geschichten ganz unterschiedliche Perspektiven einnehmen zu können, und damit einen facettenreichen Blick auf das Alltagsleben, die Kultur und Geschichte Schlesiens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ermöglichen. Darüber hinaus möchte er das Potential der Museumssammlungen aufzeigen, darauf aufmerksam machen, welche Bedeutung auch vergleichsweise unspektakuläre Exponate für die Vermittlung haben können und damit das Bewusstsein schaffen, dass auch Alltagsgegenstände sammelnswert sein können.