Ein ruhiger kluger Blick hinter der großen Brille, eigentlich nicht das Bild eines Soldaten, obwohl er eine Wehrmachtsuniform trägt. Die kleine Radierung aus der Sammlung des Liegnitzer Kupfermuseums zeigt das Porträt Herbert Mertins. Unter dem Konterfei sind Vor- und Nachnamen sowie die Lebensdaten des Soldaten zu lesen. Herbert Mertin wurde am 3. Oktober 1919 in Liegnitz geboren und starb am 10. August 1942 im Alter von nicht einmal 23 Jahren. Der Tod ereilte ihn an der Ostfront in der Nähe von Rschew an der Wolga.
Die Nachricht vom Tode des Gefreiten Herbert Mertin wurde im „Liegnitzer Tageblatt” veröffentlicht. Aus der Todesanzeige geht hervor, dass der Gefallene ein Student der Philosophischen Fakultät (candidatus philosophiae) kurz vor dem Studienabschluss war. Von dem Verlust ihres einzigen Sohnes, der „sein Leben für die Zukunft unseres Reiches gab“, benachrichtigten in tiefem Schmerz die Eltern: Paul Mertin und seine Frau Selma, geb. Michel. Die letzte Ruhestätte des jungen Liegnitzers befindet sich auf dem Soldatenfriedhof in Rschew.
Paul Mertin (1899-1973), Herberts Vater, war seit dem 1. Juli 1924 im Niederschlesischen Museum zu Liegnitz angestellt, in den 1940er Jahren in der Funktion eines Museumsinspektors. In den Mitteilungen des Geschichts- und Altertums-Vereins zu Liegnitz veröffentlichte Paul Mertin Artikel über archäologische Ausgrabungen in Liegnitz und der Umgebung. Bekannt sind auch seine Abhandlungen über die städtischen Renaissancebaudenkmäler sowie über das Stadtwappen aus der Urkunde des böhmischen Königs von 1453.
Es scheint, dass der Einfluss des Vaters sowie das Heranwachsen im Umfeld des Liegnitzer Museums und im Kreise von Geschichtsliebhabern beim jungen Herbert Mertin ein Interesse für die Vergangenheit geweckt hat. An der Schwelle zum Erwachsenenalter nahm der junge Mann ein Studium der Archäologie sowie der Vor- und Frühgeschichte auf. In den Mitteilungen des Geschichts- und Altertums-Vereins zu Liegnitz von 1940 erschienen zwei Mitteilungen des jungen Forschers über Keramikfunde aus der Steinzeit in Altbeckern bei Liegnitz sowie über spätgotische Gegenstände, die 1930 während der Bauarbeiten auf dem Liegnitzer Ring gefunden wurden.
Herbert Mertins Tod fiel in die Zeit der harten Kämpfe um Rschew, die im August 1942 stattfanden. Das Ziel des sowjetischen Gegenangriffs, der mit Kräften der Kalininer Front unter General Iwan Konew und der Westfront unter General Georgi Schukow geführt wurde, war die Beseitigung der vorderen Stellungen der 9. deutschen Armee rund um die Stadt ca. 200 km vor Moskau und die Zerschlagung der Armeegruppe Mitte. Trotz der anfänglichen Erfolge wurden die Angriffe der Roten Armee durch die deutschen Truppen abgewehrt.
Das posthume Porträt Herbert Mertins wurde 1943 angefertigt.
Dieser Blogbeitrag ist ein Gastbeitrag aus dem Kupfermuseum in Liegnitz (Muzeum Miedzi w Legnicy). Das Bildmaterial entstammt der Sammlung des Museums. Mehr zum Museum und seinen Ausstellungen unter: http://muzeum-miedzi.art.pl/
Autor: Konrad Byś