Groß und wuchtig mit einem Durchmesser von fast einem Meter hängt sie, in einem hölzernen Glockenstuhl, rund 650 km entfernt von ihrer Heimatkirche im Garten von HAUS SCHLESIEN: eine Glocke aus der evangelischen Kirche in Löwenberg, gegossen im Jahre 1848. Es war ihr Glück, dass sie dem Schicksal vieler tausend Glocken, die im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen wurden, noch knapp entgangen ist.
Die Nichteisenmetalle wie Zink, Kupfer und Bronze stellten wichtige Rohstoffe für die Rüstungsindustrie dar. Britische Experten hatten vor Kriegsbeginn ermittelt, dass die vorhandenen Vorräte dieser Rohstoffe in Deutschland äußerst begrenzt seien, was sie zu der irrigen Annahme verleitet hatte, eine Seeblockade, die Nachschublieferungen verhindere, würde das Deutsche Reich frühzeitig zur Aufgabe zwingen. Doch eine straff organisierte Mobilisierung aller Metallreserven versetzte Deutschland in die Lage, seine Rüstungsproduktion bis zum Ende des Krieges aufrechtzuerhalten.
Schon im März 1940 wurde zur „Metallspende zum Geburtstag des Führers“ aufgerufen. Diese mit großem Propagandaaufwand betriebene Sammelaktion brachte 77.000 Tonnen Rohstoffe ein. Für die Abgabe ihrer Kerzenständer, Kronleuchter und anderen Metallgegenstände erhielten die Deutschen eine Dankesurkunde mit der Unterschrift Hermann Görings.
Doch reichten die so gesammelten Rohstoffe bei weitem nicht aus, weshalb man im Februar des Folgejahres mit der Abnahme von Kirchenglocken begann. Die Glocken wurden in vier Kategorien eingeteilt – nur wenige historisch bedeutende Glocken der Kategorie D entkamen dem Schicksal, aus ihren Kirchen entfernt und zur Schmelze abtransportiert zu werden. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurden mehr als 100.000 Glocken abgehängt. Knapp ein Zehntel war im Mai 1945 noch nicht eingeschmolzen worden und lagerte nach Kriegsende auf sogenannten „Glockenfriedhöfen“ – der größte befand sich in Hamburg.
Die dort aufgefundenen Glocken versuchte man, ihren ursprünglichen Kirchen zuzuordnen und in die Gemeinden zurückzuführen, einige kamen in anderen Kirchen zum Einsatz, wo Glocken fehlten, manche waren durch den Transport und die Lagerung so beschädigt, dass sie nicht mehr genutzt werden konnten.
Die Löwenberger Glocke im Garten von HAUS SCHLSIEN ist eine dieser Glocken, die dem Schmelzofen knapp entkommen, auf dem Glockenfriedhof in Hamburg lagerte. Eine zweite Kirchenglocke aus Giessmannsdorf bei Sprottau, die ein ähnliches Schicksal ereilt hatte, hängt heute im Innenhof von HAUS SCHLESIEN.
Nur wenige Glocken haben, wie die Acht-Uhr-Glocke aus Oberglogau, nach vielen Jahrzehnten doch noch zurück in ihre Heimatkirche gefunden. Seit 2001 läutet diese Glocke, die Jahrzehnte im Fuldaer Dom gehangen hatte, wieder in ihrer Heimatkirche.