Am 20. Februar 1952 wandte sich Meta Scholz an das Standesamt I in Berlin, mit der Bitte den Tod Ihres Mannes zu beurkunden – sieben Jahre nach dessen Verschleppung aus Neuen, Kreis Bunzlau. Am 15. Februar 1945 war der kleine Ort von der Roten Armee eingenommen, zehn Tage später der damals 44-jährige Hermann Scholz zusammen mit anderen Männern aus dem Ort verschleppt worden – zunächst ins Gefängnis nach Beuthen O/S und von dort nach Russland. Für seine Frau und die beiden Töchter folgten sieben Jahre zwischen Hoffen und Bangen bis schließlich die eidesstattliche Versicherung des leitenden Sanitäters der Lazarett-Baracke des Lagers Kandalakscha die traurige Gewissheit brachte.
Neuen, Kreis Bunzlau
Als Meta im Juli 1946 aus ihrer schlesischen Heimat vertrieben worden und im Güterwaggon eingepfercht über Kohlfurt ins Lager Marienthal und von dort in den Kreis Siegen gelangt war, ahnte sie nicht, dass ihr Mann zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben war. Noch Jahre nach ihrer Ankunft im Westen war sie ohne Nachricht von ihm. Immer wieder bemühte sie sich darum, etwas über sein Schicksal herauszufinden. Einen ersten Kontakt zu einem Lagerinsassen, der bis Herbst 1945 im gleichen Lager in Murmansk inhaftiert war, konnte Meta 1949 knüpfen. Seine Briefe ließen die Hoffnung auf ein Wiedersehen schwinden. Er war im Lagerlazarett von Hermann Scholz gepflegt worden und aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes mit einem Krankentransport nach Deutschland gekommen. Die Schilderungen über die Situation im Lager bei seinem Fortgang waren wenig ermutigend.
Meta Scholz war nicht die einzige Suchende. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren viele Millionen auf der Suche nach vermissten Angehörigen. Das Rote Kreuz setzt sich bereits seit dem deutsch-französischen Krieg dafür ein, in kriegerischen Konflikten verschollene Familienangehörige aufzuspüren. Doch die unübersichtliche Lage aufgrund der großen Flüchtlingsströme und der Millionen vermissten Soldaten stellte die Organisation 1945 vor neue Herausforderungen. Es wurden DRK-Suchdienststellen eingerichtet, wo überwiegend Freiwillige Suchende und Gesuchte registrierten und Informationen über im Krieg Verschollene sammelten. Bis 1950 konnte das Rote Kreuz in rund 8,8 Millionen Fällen sachdienliche Hinweise geben und beim Auffinden vermisster Angehöriger helfen. Es blieben aber weiterhin Millionen Schicksale ungeklärt. Bis 1955 kamen Spätheimkehrer vor allem aus russischen Lagern, die vom Roten Kreuz nach Vermissten befragt wurden.
Auch Meta Scholz hatte sich 1950 an den Suchdienst des Roten Kreuzes gewandt und bekam im Januar 1952 eine Liste mit fünf Adressen von Heimkehrern, die vermutlich im gleichen Lager wie ihr Mann waren. Keiner konnte sich an Hermann Scholz erinnern, aber eine Krankenschwester gab einen entscheidenden Hinweis, indem sie an den leitenden Sanitäter der Lazarett-Baracke 10 in Kandalakscha verwies. Dieser lebte inzwischen in Thüringen und kannte ihren Mann tatsächlich. Er war bereits mit ihm in Beuthen O/S in der Haftanstalt gewesen und von dort am 31. März 1945 auf die Halbinsel Kola in das Lager Kandalakscha verschleppt worden. Bis Juli 1945 war Hermann Scholz im Hauptlager bei ihm als Hilfssanitäter im Lazarett beschäftigt gewesen, musste dann vermutlich zum Kanalbau ins Seelager. Anfang Mai 1946 kam Scholz, dieses Mal als Schwerkranker, erneut ins Lazarett und verstarb dort noch im selben Monat. Ein weiterer vom Roten Kreuz vermittelter Heimkehrer bestätigte im Oktober 1952 in einem Brief die traurige Nachricht Er berichtete außerdem von der gemeinsamen Zeit im Lager und vom Grab Hermann Scholzes, das er vor seiner Rückkehr besucht hatte.
Nach sieben Jahren quälender Ungewissheit, war das traurige Schicksal von Hermann Scholz geklärt, der Schmerz des Verlustes blieb länger.
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