… schrei‘, brüll‘, gröle in die Welt, vielleicht verdienst du damit Geld!“ So fasste der 1891 in Jauer geborene Humorist Ludwig Manfred Lommel in wenigen Worten den Beginn seiner Karriere zusammen. Wobei sein Vater dies so nie gesagt hatte, sondern eigentlich gehofft hatte, der Sohn würde den elterlichen Betrieb übernehmen. Doch trotz Kaufmannslehre und Aufenthalten in Manchester und London, interessierte sich Lommel nicht für Stoffe und Tuche. Vielmehr schlug sein Herz für das Bühnenfach. Nach mehr oder weniger erfolglosen Tätigkeiten als Vertreter fand er schließlich seine Bestimmung darin von Dorf zu Dorf zu ziehen und die Menschen mit seiner Ein-Mann-Show zu erfreuen. Seine große Bekanntheit verdankte er jedoch nicht den Dorfbühnen, sondern einem damals ganz neuen Medium: dem Rundfunk.
Nur wenige Monate nach der ersten deutschen Radiosendung aus Berlin im Oktober 1923, waren bereits acht weitere regionale Sendeanstalten entstanden. Zu ihnen zählte auch die im April 1924 gegründete private Hörfunkgesellschaft „Schlesische Funkstunde A. G.“ in Breslau. Sie ging am 26. Mai erstmals auf Sendung. Die Redaktion befand sich zunächst in den Räumen des Oberbergamtes am Hindenburgplatz, bis im Dezember 1925 die neue Sendeanlage in Breslau-Krietern in Betrieb genommen werden konnte.
Wer seinerzeit die neuen Radioprogramme hören wollte, musste sich zunächst den Erwerb eines Empfangsgerätes genehmigen lassen und sich als „Teilnehmer“ anmelden. Die Gebühr für die Abonnenten der Schlesischen Funkstunde betrug im Jahr 1924 zwei Reichsmark. Das Sendegebiet des Breslauer Rundfunks umfasste rund 4,5 Millionen Einwohner, von denen zu Programmbeginn nur 200 angemeldet waren. Das Interesse an dem neuen Medium wuchs jedoch rasch und bereits im Folgejahr war die Zahl der Teilnehmer auf 46.000 gestiegen.
Im Jahr 1925 wurde der Schriftsteller und Dramaturg der städtischen Bühnen Breslaus, Fritz Walther Bischoff, zum künstlerischen Leiter der „Schlesischen Funkstunde“ berufen, 1929 dann zum Intendanten ernannt. Ihn interessierten vor allem die künstlerischen Möglichkeiten des Rundfunks. So machte er sich gemeinsam mit dem Komponist Edmund Nick, der das Rundfunkorchester aufbaute und das Musikprogramm entwickelte, daran, die akustische Bühne zu erobern. Bischoff sah im Radio ein Instrument, das der Verbreitung der Kultur dienen könnte. Die von ihm verfassten „funkgerechten“ Texte bezeichnete er als „Hörfolgen“. Diese sahen unter anderem vor, dass Texte auf verschiedene Sprecher verteilt und einzelne Passagen durch Musik unterbrochen wurden – für heutige Hörgewohnheiten eine Selbstverständlichkeit.
Friedrich Bischoff war es auch, der den humoristischen Alleinunterhalter Ludwig Manfred Lommel entdeckte und ihm schon bald eine eigene Sendung anbot: die „Runxendorfer Welle 0,5″. Ludwig Manfred Lommel lieh dabei bis zu zwölf verschiedenen Figuren seine Stimme und liefert außerdem die dazu gehörigen Geräusche. Paul und Pauline Neugebauer und Runxendorf wurden von Sendung zu Sendung populärer und machten Lommel damit weit über Schlesien hinaus bekannt. Überhaupt wurde der Funk immer beliebter und die Hörerzahlen wuchsen rasch.
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 brach das Ende der „Schlesischen Funkstunde“ an. Im Zuge der nationalsozialistischen Säuberungen wurden Friedrich Bischoff, Edmund Nick sowie weitere Mitarbeiter als sogenannte „Kulturbolschewisten“ entlassen. Nach Bischoffs Absetzung expandierte der „Reichssender Breslau“ und baute, neben der bereits 1925 errichtete Außenstelle Gleiwitz, Lokalstationen in Görlitz und Troppau auf.
Der Gleiwitzer Sender erlangte am 31. August 1939 unrühmliche Bekanntheit, als SS-Männer in polnischen Uniformen einen Anschlag auf ihn verübten, der der nationalsozialistischen Propaganda dazu diente, den einen Tag später erfolgten Angriff auf Polen zu rechtfertigen.
In dem Gebäude der Schlesischen Funkstunde in Breslau befindet sich seit 1946 der Sitz des Radiosenders „Polskie Radio Wrocław“.