Für den Erstgeborenen Josef Rinke, Sohn eines Mühlenbesitzers aus Bischofswalde im Kreis Neisse, war der Lebensweg eigentlich vorgezeichnet. Dass er das Müllerhandwerk erlernen und irgendwann die Mühle des Vaters übernehmen würde, war klar – dann würde er eine Familie gründen und schließlich die Mühle an den eigenen Sohn übergeben.
Diesem vorgezeichneten Lebensweg ist der am 10. Dezember 1888 geboren Josef Rinke eigentlich auch gefolgt und doch verlief er nicht so geradlinig, denn die große Politik wie auch die kleinen Entscheidungen haben manche unvorhersehbare Wegbiegung zur Folge gehabt.
Zunächst lief alles so, wie es zu erwarten gewesen war. Nach der Volksschule begann Josef Rinke am 1. April 1903 seine Lehre im väterlichen Betrieb und legte nach drei Jahren die Gesellenprüfung ab. Es folgte der zweijährige Militärdienst. Die Kriegserklärung am 1. August 1914 bedeutete einen ersten Einschnitt. Zugute kamen Josef Rinke in dieser Zeit seine in der Jugend erworbenen musikalischen Fertigkeiten – er hatte Geige und Trompete spielen gelernt und bewarb sich damit 1915 erfolgreich bei der Regimentskapelle. So entkam er im weiteren Verlauf dem Fronteinsatz, denn die Musiker wurden nur ganz selten bei der Truppe eingesetzt.
Nach Kriegsende kehrte Josef Rinke nach Hause zurück, unterstützte den Vater als Geselle und verwaltete nebenbei das Rechnungsamt der Spar- und Darlehnskassen in Bischofswalde. Nach einjährigem Meisterkurs legte er 1926 die Meisterprüfung ab und nun stand der Übernahme der väterlichen Mühle und der Hochzeit mit Klara Prießnitz nichts mehr im Wege. Es folgen arbeitsreiche, aber glückliche Jahre, in denen die Mühle ausgebaut wurde und die beiden drei Kinder groß zogen, von denen der Älteste, wie es sich gehörte, eine Lehre in der väterlichen Mühle absolvierte.
Doch dann begann mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg. Der über 50jährige Josef Rinke wurde zwar nicht zum Militärdienst eingezogen, doch brachte der sich ausweitende Krieg viele Belastungen. In der Mühlenwirtschaft machten die eingeführten Bezugsscheine und Mahlkarten erhebliche Mehrarbeit. Außerdem wurden landwirtschaftliche Gehilfen und Müllergesellen zum Militärdienst einberufen, an ihrer Stelle polnische Arbeiter beschäftigt.
Nachdem die Rote Armee auch Neisse erreicht hatte, wurde am 19. März 1945 in Bischofswalde ein Treck zusammengestellt, dem sich auch die Familie Rinke anschloss. Am 29. März verließ Josef Rinke noch einmal den Treck, die Familie wusste er beim Treckführer in guten Händen, und kehrte zurück, um daheim nach dem Rechten zu sehen. Dass er die Familie erst nach 19 Monate wiedersehen würde, ahnte er zu diesem Zeitpunkt nicht.
Josef Rinke blieb in Bischofswalde und erlebte, wie nach Kriegsende immer mehr Polen in den Ort kamen. Seine Mühle wurde von den Polen beschlagnahmt und er zum Arbeiter in seinem eigenen Betrieb. Im Januar 1946 wurden alle Deutschen aus Bischofswalde ausgetrieben, unter ihnen auch Josef Rinke. Als der Bahntransport jedoch nach langer Fahrt und noch längerem Warten kurz vor der Neiße wieder zurückgeschickt wurde, verließ Josef Rinke während eines Stopps in Kamenz den Zug, um sich zu Fuß auf den Weg zu den Verwandten in die Grafschaft Glatz zu begeben. Von dort wurde er zusammen mit den anderen Bewohnern im August 1946 vertrieben und kam über Niedersachsen schließlich im Oktober 1946 nach Deinigen im nördlichen Bayern, wo er endlich seine Familie wiedertraf. Seine Mühle in Bischofswalde konnte er seinem, 1948 aus sibirischer Gefangenschaft zurückgekehrten Sohn jedoch nicht mehr vererben.