„Nach allem, was ich von unserem Werk berichten kann, habe ich den Eindruck gewonnen, dass für uns Arbeiter und Angestellte selbst in absehbarer Zeit eine Rückführung unmöglich ist.“ Mit dieser Erkenntnis schließt Hans Stryi seinen Erkundungsbericht. Hans Stryi, 1905 in Kattowitz geboren, war Ingenieur bei den Linke-Hofmann-Werken in Breslau, die im Januar 1945 nach Mitteldeutschland evakuiert worden waren. Nach Kriegsende bewegte viele Flüchtlinge der Gedanke an die Rückkehr nach Schlesien. Auch unter der evakuierten Belegschaft der Linke-Hofmann-Werke brach, wie es Stryi schrieb, ein gewisses „Reisefieber“ aus. Da aber die gesamte Situation sehr unsicher war, entschloss man sich, zunächst zwei Mitarbeiter der Firma auf Erkundungsfahrt zu schicken – Hans Stryi und seinen Kollegen Lehmann.
Am 13. Juli 1945 machten sich die beiden auf die beschwerliche Reise nach Breslau, über die Hans Stryi am 4. September 1945 einen zweiseitigen Erkundungsbericht verfasste. Darin schildert er sowohl die Fahrt mit zahlreichen Hindernissen als auch die Situation vor Ort in Breslau. Über die Schwierigkeiten überhaupt bis Breslau zu kommen, heißt es in dem Bericht: „Uns war bereits bekannt, dass wir verschiedene Kontrollstellen nur durch besondere Aufwendungen an Alkohol und Zigaretten passieren könnten.“ Doch damit, dass sie bereits beim Übergang über die Mulde ein erstes „Opfer an den Sachen für besondere Aufwendungen“ zu verzeichnen hatten, hatte er wohl nicht gerechnet. Über Görlitz und Haynau gelangte Hans Stryi schließlich nach Breslau.
Die Stadt bot nach dem 80 Tage währenden, erbitterten Kampf ein verheerendes Bild. Hans Stryi schreibt darüber: „In Breslau selbst konnte ich mich lange nicht fassen ob der ungeheuren Zerstörungen[…]. Ich habe bombardierte Städte gesehen wie Hamburg, Kiel, Lübeck, Berlin, Dresden usw., aber ich muss sagen, dass keine dieser Städte annähernd so verwüstet ist, wie unsere bis zuletzt verschont gebliebene Heimatstadt.“ Umso erstaunter war er über den vergleichsweise guten baulichen Zustand und darüber, „dass unser Werk nur sehr wenig gelitten hat.“ Einen genauen Überblick über die Zerstörungen der einzelnen Fabriken unmittelbar nach Ende der Kampfhandlungen gab es zwar nicht, doch ist davon auszugehen, dass das ökonomische Potential der Stadt zu diesem Zeitpunkt noch beträchtlich war. Da aber aufgrund der Vereinbarung der Alliierten in Jalta die Sowjetunion im gesamten deutschen Staatsgebiet einschließlich des Teils, der später an Polen gehen sollte, Sachvermögen als Reparationszahlung entnehmen konnte, wurden viele Fabriken und Maschinen demontiert. In dem Erkundungsbericht heißt es dazu: „Beim Durchgang der einzelnen Hallen habe ich festgestellt, dass ca. 50 % sämtlicher Maschinen von den Russen bereits abmontiert und wegtransportiert worden sind.“ Entsprechend nüchtern fällt die Bilanz aus: „Die Leitung der neuen Linke-Hofmann-Werke liegt in polnischen Händen. […] Nach einer Besprechung mit diesen Herren habe ich festgestellt, dass der Betrieb erst nach 5-6 Monaten aufgenommen werden kann, weil die fehlenden Maschinen erst von anderen Betrieben beschafft werden sollen.“ Außer nach der Fabrikanlage zu schauen, haben die beiden Herren auch einige Erkundigungen zu Angehörigen und Wohnungen der Belegschaft eingeholt und sich dann am 9. August wieder auf den nicht minder mühsamen Rückweg begeben.