Eines der interessantesten Dokumente, das einen Machtwechsel in Grünberg nach dem Kriege bezeugt, ist die Ernennung Tomasz Sobkowiaks zum ersten Bürgermeister der neuen polnischen Stadt Zielona Góra.
Bis Februar 1945 war das deutsche Grünberg ein reizvolles und ruhiges, unter Weinbergen und Gärten gelegenes Städtchen. Die ehemaligen Einwohner können sich erinnern, dass für sie der Krieg am 14. Februar 1945 begann, als die sowjetischen Truppen in die Stadt einmarschierten und Angst, Verwüstung, Panik und Unsicherheit unter den ca. 4000 Grünbergern verbreiteten, die in der Stadt geblieben waren.
Im besetzten Grünberg übernahm der Kriegskommandant der Roten Armee Major Demian S. Wiechoturow die Macht und ernannte Karl Laube, bis 1933 Stadtrat im Namen der Kommunistischen Partei Deutschlands, zum Bürgermeister. Die Macht des neuen Bürgermeister war jedoch beschränkt und über alle Angelegenheiten entschied der Kommandant. In der Zwischenzeit war die Lage der ersten polnischen Siedler, die in das deutsche Städtchen gekommen waren, aber auch der verbliebenen deutschen Einwohner, immer noch unsicher. Erst nach der August-Konferenz in Potsdam, bei der die Mächte über das weitere Schicksal Europas entschieden hatten, begann sich die Situation in Grünberg zu klären. Die Siedlungsaktion wurde beschleunigt und in die Stadt kamen erste Vertreter der neuen Verwaltung, um sich auf die Machtübernahme vorzubereiten. Die deutschen Einwohner wurden zur Ausreise gezwungen und mussten ihre Heimat für immer verlassen.
Basierend auf einem offiziellen Dokument übernahm Tomasz Sobkowiak am 6. Juni 1945 die Macht im polnischen Zielona Góra. Die Ernennung wurde dem neuen Bürgermeister durch den sowjetischen Kommandanten übergeben und die Feier selbst hatte einen militärischen Charakter. Zum Schluss der Zeremonie wurde auf dem ehemaligen deutschen Rathaus die polnische Flagge gehisst. Damit wurde Grünberg zum polnischen Zielona Góra.
Tomasz Sobkowiak kam aus Leszno/Lissa, wo er im örtlichen Magistrat als stellvertretender Bürgermeister tätig war, nach Zielona Góra. So galt er auch als erfahrener Beamter, dem die organisatorischen Probleme des durch die polnische Verwaltung eingenommenen Landes gut bekannt waren. Für das Amt des Bürgermeisters von Zielona Góra hat ihn der Polnische Westbund empfohlen.
Das Dokument ist äußerst interessant. Es wurde in zwei Sprachen angefertigt: In Polnisch und in Russisch. Die Ernennung bestätigt, dass Tomasz Sobkowiak, geboren am 12. Dezember 1895 in Górka Duchowna/Gorka, am 6. Juni 1945 zum Bürgermeister der Stadt Zielona Góra ernannt wurde. Die polnische Version des Dokumentes wurde auf einer Schreibmaschine mit deutschen Buchstaben (z.B. Górka mit ö) getippt. Das lag daran, dass man damals über keine Schreibmaschinen mit polnischen Druckbuchstaben verfügte und so bediente man sich der deutschen Geräte, die in der Stadt zurückgeblieben waren. Das verleiht dem Dokument einen ausdrucksvollen Charakter. Die russische Fassung wurde von Hand geschrieben. Merkwürdig ist, dass der Stadtname in polnischer Version als „Zielona Göra” und in russischer als „Grünberg” mit russischen Lettern geschrieben wurde. Das Dokument gab der Regierungsbevollmächtigte der Polnischen Republik für den Verwaltungsbezirk heraus, unterzeichnet wurde es von seinem Vertreter, dem damaligen Landrat von Zielona Góra, Ing. Kazimierz Paszyński. Auf der Ernennungsurkunde ist auch der Stempel des Bevollmächtigten mit einem polnischen Adler zu sehen.
Heute ehrt die Stadt Zielona Góra ihren ersten Bürgermeister mit einer Gedenktafel an der Rathauswand und seit 2006 trägt eine Straße seinen Namen.
Alle Unterlagen, die mit den ersten Jahren der polnischen Verwaltung in Zielona Góra verbunden sind, bilden eine äußerst wertvolle Quelle, um die Geschichte der Stadt kennenzulernen und ihr interessantes, aber auch verwickeltes Schicksal zu erzählen. Sie erlauben es, nicht nur das soziale, politische und wirtschaftliche Klima und die Probleme, mit denen man zu kämpfen hatte, zu erforschen, sondern sie sind eine der wenigen, oft die einzige Informationsquelle über die vergangenen Zeiten.
Dieser Blogbeitrag ist ein Gastbeitrag aus dem Museum des Lebuser Landes in Grünberg (Muzeum Ziemi Lubuskiej). Das Bildmaterial entstammt der Sammlung des Museums. Mehr zum Museum und seinen Ausstellungen unter: https://mzl.zgora.pl/
Autor: Dr. Izabela Korniluk