Die Stadt Grünberg aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg ist vor allem dank der schönen Postkarten bekannt. Hinter den zahlreichen Ansichten verbergen sich konkrete Fotografen und Verleger, die heute für uns meistens anonym bleiben. Zu den bekanntesten Verlegern gehörte Paul Mohr. Er wurde am 11. September 1871 in Grünberg als Sohn von Friedrich und Christine Mohr geboren. Pauls Vater war Kohlenhändler und hatte einen Laden an der damaligen Niedertorstraße (heute: ulica Kupiecka), wo er ein solides und florierendes Geschäft führte. Die Mutter kümmerte sich um den Haushalt und die Erziehung der Kinder, da Familie Mohr noch zwei Töchter, Emma und Martha, hatte. Der einzige Sohn übernahm nicht das Geschäft seines Vaters, sondern beschloss eine Ausbildung als Buchbinder und Drucker aufzunehmen.
Während seiner Berufsausbildung war Paul Mohr in mehreren Buchbindereien, wo er Arbeit fand und Berufspraxis sammelte. Ende des 19. Jahrhunderts kam er nach Luckau (unweit von Bad Muskau), um die Arbeit in der Buchbinderei eines bekannten, vermögenden und angesehenen Bürgers der Stadt, Moritz Natusch, aufzunehmen. In der Firma lernte er seine künftige Frau Klara, Tochter des Druckereibesitzers, kennen. Paul heiratete sie und kehrte nach Grünberg zurück, um dort zu leben und ein eigenes Geschäft zu eröffnen. Im Jahr 1900 heirateten Klara und Paul in der Grünberger Kirche Zum Garten Christi.
Paul Mohrs Druckerei und sein Papierladen hatten ihren Sitz in einem Haus an der damaligen Niedertorstraße 10 (heute: ulica Żeromskiego 8). Hinter dem Haus wurde eine Druckerei gebaut (heute ist es eine kleine Straße, die zum Plac Powstańców Wielkopolskich führt und ein Gebäude, in dem sich eine Bank befindet).
Klara und Paul Mohr hatten drei Söhne: Richard, Fritz und Georg. Als sie erwachsen waren, traten sie in die Fußstapfen des Vaters und begannen eine Ausbildung zum Drucker. Richard lernten in Naumburg an der Saale und in Breslau, Fritz in Bunzlau und der jüngste Sohn Georg in Langenbielau.
Paul Mohrs Firma, Laden und Druckerei, in Grünberg waren ein gut bekanntes und florierendes Geschäft. Die Herausgabe der Postkarten mit Stadtansichten betrachtete er als eine von vielen Aufgaben des Papiergeschäftes. Mohr war eher aufs Drucken und Buchbinden sowie den Verkauf von Büchern und verschiedener Papierwaren konzentriert. In seinem Laden, in dem er zahlreiche Angestellte beschäftigte, war alles zu kaufen, was wir heute in einem Schreibwarenhandel kaufen können: Bleistifte, Hefte, Federhalter und Füller, Buntstifte, Malfarben, Kuverts, Lineale u.ä.
Im Erdgeschoss seines Hauses befand sich der Laden und im ersten Stockwerk wurde eine geräumige und prächtige Wohnung eingerichtet. Sie verfügte über alle Bequemlichkeiten, denn außer komfortabel ausgestatteten Zimmern befand sich dort eine Küche, separate Toilette und ein Bad mit einer großen Badewanne. Das zweite Stockwerk beherbergte Dienstzimmer für Druckereimitarbeiter und Verkäuferinnen und das Dachgeschoss erfüllte die Funktion eines Erholungsraumes.
Offiziell gab die Firma von Paul Mohr ihre Tätigkeit im Jahr 1944 auf, als sich die Gerüchte vom Vordringen der Front und dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in Grünberg verbreiteten. Die Familie packte ihre Koffer und ging nach Luckau, der Heimatstadt von Mohrs Frau. Dort wurden sie von den Schwiegereltern aufgenommen und beschlossen, die schwere Zeit abzuwarten. Doch die Nachrichten über die Situation in Grünberg, die im Jahr 1945 zu Mohr vordrangen, die Trauer um das verlorene Erbe, die Firma, das Haus und das Bewusstsein, dass sein ganzes Vermögen zerstört worden war, führten dazu, dass Paul Mohr am 7. März in Luckau verstarb, wo er auch beerdigt wurde.
Dieser Blogbeitrag ist ein Gastbeitrag aus dem Museum des Lebuser Landes in Grünberg (Muzeum Ziemi Lubuskiej). Das Bildmaterial entstammt der Sammlung des Museums. Mehr zum Museum und seinen Ausstellungen unter: https://mzl.zgora.pl/
Autor: Dr. Izabela Korniluk