Was gestern eine Meldung wert war, ist heute nicht selten durch die aktuellen Entwicklungen schon überholt. Wenn also die Zeitung von gestern gerade noch zum Einwickeln eines Salatkopfes nützlich ist, was kann dann an einer, die mehr als 100 Jahre alt ist, noch von Interesse sein? Vielleicht ist das Ereignis, über das berichtet wurde, inzwischen „große Geschichte“, vielleicht kann sich auch keiner mehr daran erinnern. So oder so bleibt die Frage, warum es die Zeitung nach so langer Zeit noch gibt und wie sie dorthin gekommen ist, wo sie heute ist.
Diese Frage stellt sich auch bei dem kaum zehn Zentimeter breiten Ausschnitt aus der Honnefer Volkszeitung vom 29. März 1921 in der Sammlung von HAUS SCHLESIEN. Wie kommt das Stück einer alten rheinischen Lokalzeitung in ein schlesisches Museum und warum wird er dort aufbewahrt? Eine Erklärung, warum er aufgehoben wurde, mag der auf der Rückseite abgedruckte, aber nicht vollständig erhaltene Bericht über die Lage in Oberschlesien sein. Damals, kurz nach der Abstimmung über die Zugehörigkeit Oberschlesiens, die am 20. März stattgefunden hatte, berichtet die Zeitung von den Unruhen in den oberschlesischen Städten. Die Abstimmung und ihre Folgen, so beweist der Zeitungsausschnitt, waren in ihren Auswirkungen kein auf die Region beschränktes Ereignis, sondern wurden deutschlandweit mit Interesse verfolgt.
Bleibt die Frage, wie dieses Stück Zeitung ins Archiv von HAUS SCHLESIEN gelangt ist. Üblicherweise werden Objekte und Dokumente mit schlesischem Bezug in Museum oder Bibliothek abgegeben, da ihre Vorbesitzer ihnen einen historischen Wert zumessen, sie als besonders ausstellungswürdig erachten oder mit ihnen Erinnerungen verbinden, die bewahrt werden sollen. Oder die Stücke werden angekauft, weil sie eine Lücke in der Sammlung schließen. Im Fall des Zeitungsausschnitts war dieser jedoch schon im Haus, lange bevor das Gebäude HAUS SCHLESIEN wurde und man Archiv und Museum eingerichtet hatte: Genaugenommen befand er sich schon seit 1921 dort. Seinerzeit war der einstige Fronhof, der bis zur Säkularisation 1803 zum rechtsrheinischen Kloster Schwarzrheindorf gehört hatte, ein landwirtschaftlicher Betrieb. Zwischen 1920 und 1922 renovierte und erweiterte der damalige Besitzer den Gutshof. In dieser Zeit entstand die vierflügelige Anlage in der Form, wie sie bis heute erhalten ist. Beim Tapezieren behalf man sich mangels Makulaturpapier mit der Honnefer Volkszeitung als Unterlage. Bei der Gelegenheit kam auch dieses erste Zeitdokument mit schlesischem Bezug ins Haus, lange bevor man auch nur erahnen konnte, dass der Hof je zum HAUS SCHLESIEN werden würde.
Als nun die Hofanlage 1978 von dem fünf Jahre zuvor gegründeten Verein HAUS SCHLESIEN gekauft worden war, begannen sogleich einige fleißige Helfer damit, das Haus vom gröbsten Unrat zu befreien und etwas herzurichten. Bei den Säuberungsarbeiten fand sich dann unter mehreren Lagen Tapete der Ausschnitt der Honnefer Volkszeitung. Wie ein Wink des Schicksals erschien es den Schlesiern, dass es ausgerechnet ein Artikel mit schlesischem Bezug war: Wenn das kein Zeichen war!?
Zusammen mit der Schilderung der ersten Eindrücke und guten Wünschen wurde der Zeitungsausschnitt in eine Mappe gelegt und bei der offiziellen Übergabe des Hauses an den Verein dessen Vorsitzenden „Zur Geburtsstunde von HAUS SCHLESIEN“ überreicht. Seitdem ist er Teil der Sammlung.