Das dem Roman „Im Westen nichts Neues“ entnommenen Zitat „Erst das Lazarett zeigt, was Krieg ist“ spiegelt die traumatischen Erlebnisse dessen Autors, Erich Maria Remarque, während eines längeren Lazarettaufenthalts im Ersten Weltkrieg wider. Das im Zweiten Weltkrieg auf der Terrasse des Reservelazaretts IV in Breslau fotografierte Gruppenbild erweckt zunächst einen anderen Eindruck. Die meisten Soldaten blicken einigermaßen zuversichtlich in die Kamera und scheinen wenigstens äußerlich weitgehend genesen zu sein.
Die Aufnahme ist eine von rund 40 Schwarz-Weiß-Fotografien aus dem Nachlass der früheren Rotkreuzhelferin Maria Vogel, die während ihrer Dienstzeit in dem Lazarett in der Hohenzollernstraße 96 in Breslau entstanden sind. Auf den Bildern aus den Jahren 1939 bis 1945 ist Maria Vogel im Kreise ihrer Kolleginnen und Kollegen, bei der Verrichtung von Alltagsaufgaben oder auch mit Lazarettinsassen zu sehen. Die Bilder zeigen zumeist äußerlich unversehrte Soldaten, keine Schwerverletzten, Toten oder an Leib und Seele dauerhaft Geschädigten. Die Schrecken, von denen Remarque in seinem Roman geschrieben hat, sind hier nicht zu sehen – nur zu erahnen. Die Fotografien lassen einen jedoch nachvollziehen, wie Aussagen aus Kriegserinnerungen zu verstehen sind, in denen davon die Rede ist, dass ein längerer Lazarettaufenthalt ein „Glück“ war. Wenigstens vorübergehend entgingen die Soldaten hier nämlich der Todesgefahr und dem Grauen der meist fernen Front.
Im Falle das Reservelazaretts IV in Breslau, das sich seit 1939 in den Räumlichkeiten des einstigen israelitischen Krankenhauses befand, war dies im Januar 1945 eine trügerische Sicherheit, denn die Front rückte schnell bis zur Oder vor. Deshalb beschloss der leitende Arzt Dr. Martin Herrmann am 20. Januar, als der Aufruf an alle Frauen, Kinder und Alten erging, Breslau zu Fuß zu verlassen, sich mit seinem Lazarett ebenfalls auf die Flucht zu begeben. In der Nacht wurde das Nötigsste zusammengepackt und in den frühen Morgenstunden des Folgetages machten sich Ärzte, Schwestern, Helfer und Lazarettinsassen zu Fuß und mit den auf mehrere Holzkarren geladenen medizinischen Instrumenten, Medikamenten und Verbandsmaterialien auf den Weg. Bei eisiger Kälte und Schnee schlugen sie sich über Sachsen bis nach Mindelheim im Allgäu durch. Besonders die notwendigen Verbandswechsel und Behandlungen bereiteten ihnen auf dem vier Wochen andauernden Fußmarsch große Schwierigkeiten.
Ob die 1913 geborene Maria Vogel mit dem Lazaretttreck ins Allgäu floh und später nach Schlesien zurückkehrte oder ob sie sich mit den vielen anderen Breslauern auf die Flucht Richtung Riesengebirge begab, ist nicht bekannt. Aus ihren Unterlagen geht nur hervor, dass sie von August 1945 bis zur Vertreibung im September 1946 als Hilfsschwester bzw. später als Stationsschwester in der Heilstätte Buchwald-Hohenwiese im Riesengebirge tätig war.