Ein Brief mit Briefmarken im Wert von 5 Millionen Mark – kein Wertbrief, sondern ein ganz gewöhnlicher Geschäftsbrief. Gesendet wurde er im Oktober 1923 von der Firma Weyl & Nassau in Reichenbach im Eulengebirge an W. Oppenheimer im thüringischen Nordhausen am Harz. Zwischen beiden Orten liegen ca. 500 km, keine große Entfernung und dennoch diese wahnsinnig hohen Portokosten. Möglicherweise hat man schon damals gerne über die unverschämten Preise der Post geschimpft, aber seinerzeit war nicht nur eine Briefmarke eine Millioneninvestition., vielmehr befand sich Deutschland inmitten einer Hyperinflation.
Die Entwicklung zeichnete sich schon während des Ersten Weltkrieges ab, als die Reichsmark aufgrund der durch Kredite getragenen Kriegsfinanzierung stark an Wert verloren hatte. Nach Kriegsende kamen die hohen Kriegsfolgekosten und Reparationsverpflichtungen hinzu und die Gold- und Devisenbestände schwanden. Also betätigte die Reichsbank immer häufiger die Notenpresse und versuchte dadurch die Krise zu bewältigen. Doch die Geldscheine verloren weiter an Wert, in der Folge stiegen die Preise – auch für die einfachsten Lebensmittel – und aus der galoppierenden Inflation wurde infolge der Ruhrkrise im Sommer 1923 eine Hyperinflation.
Die Nennwerte der Reichsbanknoten stiegen in astronomische Höhen und zeugten vom rapiden Kaufkraftverfall, weshalb immer größere Mengen an Banknoten zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs benötigt wurden. Betrug der Höchstwert eines Geldscheines bis 1922 noch 1.000 Mark, so wurden im Herbst 1923 Scheine mit einem Wert von 100 Billionen Mark gedruckt. Und obwohl die Maschinen in der Reichsdruckerei Tag und Nacht arbeiteten und bis zu 133 Fremdfirmen ebenfalls mit dem Gelddrucken beauftragt waren, reichten die Kapazitäten nicht aus. Man behalf sich schließlich damit, auf bereits gedruckte Geldscheine noch höhere Werte aufzustempeln. Eine Methode, derer man sich auch bei der Reichspost bediente und den Wertaufdruck der Briefmarken mit höheren Werten überschrieb. Darüber hinaus wurden von zahlreichen Städten, Gemeinden und Firmen eigene Notgeldscheine herausgegeben. Nicht immer reichte es für einen kunstvollen Aufdruck, manchmal musste auch ein mit der Schreibmaschine getippter Zettel ausreichen.
Der Preissteigerungen in immer kürzeren Abständen hinkten die Löhne hinterher. Oft erfolgten die Lohnzahlungen täglich und jeder versuchte, das Bargeld schnellstmöglich in Sachwerte einzutauschen. Schließlich traten immer häufiger Naturalien und Dienstleistungen als Zahlungsmittel an die Stelle des Bargeldes. Der Tauschhandel florierte.
Im letzten Quartal des Jahres 1923 waren die Zustände schließlich unhaltbar. Der Kurs der Mark war von 1 $ = 4,20 M im Jahre 1913 auf 1 $ = 4,2 Trillionen M gefallen. Um einen vollkommenen wirtschaftlichen Zusammenbruch zu vermeiden, war eine Währungsreform unumgänglich. Mit dem Inkrafttreten einer neuen Währungsordnung und der Einführung der Rentenmark am 15. November 1923 wurde die Inflation beendet.