„In seinen Unterrichtsstunden kann man, ohne daß man vorher ein Schlafmittel eingenommen hat, selig pennen“. So lautet die Erklärung zum Unterricht des Physik- und Chemielehrers, der zwar „Brüll“ mit Namen hieß, aber eher als phlegmatisch charakterisiert wird. Es ist einer von zehn Lehrern, die in den handschriftlichen Aufzeichnungen „Aus der lieben Penne“ in bester Schülermanier beschrieben und dabei mit ihren Macken durch den Kakao gezogen werden. Was jedoch als Sammlung von Lausbubengeschichten beginnt, wird zur Chronik einer verlorenen Jugend.
Von außen mit Stoff bezogen, mit einem abschließbaren Verschluss versehen, ist das Büchlein wohl ursprünglich als Tagebuch gedacht gewesen. Aber statt ihrer privaten Gedanken hineinzuschreiben, haben die 34 Schüler, die nach Ostern 1936 in die Adolf-Hitler-Schule am Nikolaigraben 20 eingeschult wurden, hier handschriftlich und mit zahlreichen Fotos ihre Schulzeit in Breslau dokumentiert, die fröhlich begann, aber kein gewöhnliches Ende fand.
Zu Beginn gibt es Kurzportraits der Lehrer. Mit Fotos angereichert, enthalten sie deren Lieblingssprüche und kleine Anekdoten. Den größten Raum nimmt naturgemäß der Direktor ein, der wegen seines „einzigartigen Sprachorgans“ auch den Beinamen „Bierkutscher“ von den Schülern erhalten hatte. Und während der Klassenlehrer „Vati Topp“ gut bei den Schülern weggekommen ist, hat der Mathematiklehrer gleich zwei Beinamen erhalten: zum einen aufgrund seiner ungewöhnlichen Frisur den Namen „Struppke“, zum andern wegen seines Faibles Tag für Tag mit seinem alten Rad zur Schule zu kommen, den Beinamen „ewiger Radfahrer“. In einem zweiten Teil finden sich Fotos und Schilderungen von Ausflügen, Festen und „Saufabenden“. Zu den im dritten Kapitel geschilderten „einmaligen Ereignissen“ zählt neben der Tanzstunde auch der dreiwöchige Aufenthalt im Wehrertüchtigungslager in Nimptsch. Eine Zeit, die von den Schülern mit einem Aufenthalt im Strafgefangenenlager verglichen wird und doch auch als einschneidendes Gemeinschaftserlebnis geschildert wird.
Im November 1942 kamen die Schüler schließlich zur Heimat-Flak, Unterricht wurde nur noch in reduzierter Form erteilt. Die Einträge im Album mit Fotos und Kommentaren lassen das Ganze noch als gemeinsames Abenteuer erscheinen. Möglich, dass den jungen Männern in ihrem jugendlichen Übermut die Tragweite noch nicht bewusst war!? Im Februar des Folgejahres wurde dann die Klasse aufgelöst: Der Jahrgang 1925 musste zum Reichsarbeitsdienst, die Schüler des Jahrgangs 1926 wurden Luftwaffenhelfer. Dazu heißt es dann auch „Die kommende Zeit war bei Weitem nicht so leicht zu ertragen, wie die eben verlebte.“
Die angehängten Schülerbiographien zeigen schon anhand der Fotos, auf denen fast alle in Uniform zu sehen sind, dass der Weg von der Schulbank direkt in den Krieg führte – und nicht alle kamen zurück. Und diejenigen, die überlebten, kamen nicht mehr nach Breslau zurück. Sie fanden irgendwo verstreut im Westen Deutschlands ein neues Zuhause. Durch Zufall fanden sich einige zu Beginn der 1980er Jahre erneut zusammen und so kam es seitdem und bis ins Jahr 2010 zu regelmäßigen Klassentreffen. Das Album von damals mag an manchen alten Streich erinnert und die Treffen bereichert haben. Um die Chronologie fortzuführen, enthält das Album zum Abschluss auch von jedem Klassentreffen ein Bild.